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Kristina, vergiß nicht

Kristina, vergiß nicht

Titel: Kristina, vergiß nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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und heulte los.
    »Wir sind Schwester Erna und Schwester Birgit. Wir wollen Sie nach Friedland bringen. Sie sind offenbar die einzige Aussiedlerfamilie, die mit diesem Zug gekommen ist.«
    »Wir können nicht weg«, sagte die Mutter. »Mein Mann kommt bestimmt.«
    »Wie ist denn Ihr Name?«
    »Bienmann heißen wir«, gab Kristina Auskunft.
    »Bienmann, Bienmann. – Irgendetwas war mit Bienmann, Birgit, erinnerst du dich nicht?«
    »Nie gehört«, antwortete Schwester Birgit. »Aber wir können ja hier keine Wurzeln schlagen. Ihr Sohn – Mann – Vater weiß doch, das es erst nach Friedland geht. Er wird schon dorthin kommen. Es ist ja nicht sehr weit von hier.«
    »Meinen Sie?«, fragte Mutter verzagt.
    »Vielleicht ist die Autobahn verstopft oder irgendwo auf der Strecke Glatteis«, tröstete Schwester Erna. »Er kommt doch mit dem Auto?«
    »Ich glaube, ja.« Mutter wischte sich die Tränen ab und stand auf.
    »Der Bus steht auf dem Parkplatz vor dem Bahnhof.« Schwester Birgit belud sich mit Gepäckstücken und auch Schwester Erna fasste mit an. Die Bienmanns schauten gebannt auf die Lichter des Bahnhofsvorplatzes. Die Leuchtreklamen gleißten, die Autoscheinwerfer blendeten sie. Die Busse dröhnten, junge Männer in Lederkleidung hockten breitbeinig über ihren schweren Motorrädern und spielten mit dem Gas.
    In kleinen Gruppen standen viele Männer auf dem Bahnhofsvorplatz. Sie redeten laut miteinander. Aber Kristina verstand kein Wort.
    Sie hatte immer geglaubt, sie könnte fließend Deutsch. Aber das schien doch nicht so zu sein.
    »Ausländer«, erklärte Schwester Birgit. »Türken, Spanier, Griechen. Arbeiten hier.«
    »Gott sei Dank«, seufzte Kristina.
    »Wieso?«, fragte die Schwester befremdet.
    »Ich verstand kein Wort. Ich dachte schon, mein Deutsch reiche nicht aus.«
    Schwester Birgit lachte. Ihr Gesicht wurde rund und breit dabei. »Sie sprechen ein ausgezeichnetes Deutsch, Fräulein Bienmann. Der Akzent, der verliert sich mit den Jahren.«
    »Hier geht’s lang«, sagte Schwester Erna und lief vor ihnen her einem großen Parkplatz zu.
    Der Lärm des Verkehrs, die Lichter, die vielen Menschen hatten Wolf eingeschüchtert. Er wich Kristina nicht von der Seite und die Leine schien ihm zum ersten Male nicht lästig zu sein.
    »Ist eine Kunst hier um diese Tageszeit einen Parkplatz zu finden«, sagte die Schwester.
    Dann aber standen sie vor dem Bus.
    »Ist das alles heute?«, fragte der Fahrer, zog seine Ledermütze vom Kopf und begrüßte die Ankömmlinge.
    »Ja, alles heute.«
    »Waren ziemlich wenig diese Woche«, sagte er.
    Er schaute auf das Gepäck. »Das nehmen wir mit hinein. Lohnt sich nicht den Kofferraum für die wenigen Sachen aufzuschließen.« Er klappte hinten im Bus einen Sitz zurück und begann einzuladen.
    Janec wollte helfen.
    »Nicht nötig, junger Mann. Sie verstehen mich doch, oder?«
    »Ich verstehe gut«, antwortete Janec. »Hat sie schon für gesorgt, dass wir das Deutsch nicht verlernen.« Er wies zu Großmutter hinüber.
    »Kluge Frau«, sagte der Fahrer. »Ohne Deutsch sind Sie hier verraten und verkauft. Wie die dort drüben.« Er wies auf die Ausländer zum Bahnhofsvorplatz hinüber.
    Sie fuhren los. Es war dunstig. An den Straßenrändern lagen gelbgraue Schneeplacken. Die Fahrbahn jedoch war frei. »Wird noch viel Schnee geben«, prophezeite der Fahrer, hob die Nase und schnüffelte. »Ich riech’s.«
    »Was wird nur mit Kristian sein?«, fragte die Mutter.
    Die Schwestern redeten ihr gut zu und rieten, sie solle gleich von Friedland aus ein weiteres Telegramm schicken oder telefonieren.
    Der Bus näherte sich einem kleinen Ort. »Das ist Friedland«, sagte der Fahrer. Eine Kirche, lang gestreckte Baracken mit großen Nummern versehen. Ziegelbauten.
    Als sie ausstiegen, standen die Donatkas da. Weronika umarmte die Großmutter und begrüßte sie auf Polnisch. Janina und Stanek redeten auf Kristina ein. Das Gepäck wurde in eine Baracke getragen. Ein breiter Flur, Türen in langer Reihe rechts und links.
    »Bitte neben unseren Zimmern«, bat Janina. Schwester Erna war damit einverstanden.
    Ein älterer Mann, mit einem weißen Kittel bekleidet, ein lustiges Jägerhütchen auf dem Kopf, kam herein, stellte sich vor und sagte: »Jardin, Caritas. Ist heute eine Familie Bienmann angekommen?«
    »Das sind wir«, antwortete Janec.
    »Prima. Ihr Vater oder Bruder oder was weiß ich, der macht uns schon ganz verrückt. Hat gestern hier stundenlang herumgesessen und heute wohl

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