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Krokodil im Nacken

Krokodil im Nacken

Titel: Krokodil im Nacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kordon
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war, ihm zu glauben, bei dieser Sache müsse es sich um einen Irrtum gehandelt haben. Er jedenfalls wisse nichts davon. Auf jeden Fall habe keine Absicht dahinter gesteckt. Wozu hätten sie sich denn die Mühe machen sollen, einen Untersuchungshäftling für nichts und wieder nichts von einem Gefängnis ins andere und wieder zurück zu transportieren? Um ihn zu verunsichern? »Ich bitte Sie! Da gäbe es – gesetzt den Fall, wir würden so etwas in Erwägung ziehen – doch ganz andere, viel wirksamere Methoden.«
    Später sollte Lenz erfahren, dass es tatsächlich Robert war, der an jenem Tag lange in dem alten Gefängnisgemäuer auf ihn gewartet hatte und unverrichteter Dinge wieder nach Hause geschickt worden war. Weshalb man sie nicht zueinander gelassen hatte, erklärte der Bruder sich damit, dass es an diesem Tag schon sehr spät geworden war und man offensichtlich irgendeinen Zeitplan einhalten wollte. Nicht sehr menschlich das Ganze, aber passend zu all den anderen Vorgängen rund um diese Untersuchungshaftanstalt.
    Was nun aber die Einzelhaft betreffe, fuhr der Leutnant fort, gebe es erst recht keinen Grund zur Beschwerde. Das sei alles im Rahmen der Gesetze. Und wie wolle Lenz denn wissen, ob er nicht schon bald mit anderen Gefangenen zusammengelegt wurde?
    »Manchmal geht so etwas schneller als gedacht.«
    War das eine Ankündigung? Oder gar ein Versprechen?
    Der Leutnant breitete fröhlich beide Arme aus. »Sehen Sie, alle Ihre Vorwürfe haben sich in nichts aufgelöst. Wenn Sie ehrlich sind, müssen Sie zugeben, dass es Ihnen in Anbetracht der Umstände, in die Sie sich gebracht haben, bei uns noch ziemlich gut geht.«
    »Es geht niemandem gut, dem man die Freiheit und seine Kinder genommen hat.«
    »Freiheit! Noch nie Friedrich Engels gelesen?«
    Lenz kannte den Merksatz, nach dem die wahre Freiheit nichts als Einsicht in die Notwendigkeit war. Seine Gegenthese: Zuallererst musste die Notwendigkeit ein Einsehen in die Freiheit haben, dann konnte man über alles andere reden. Er sagte das nicht, offenbar konnte der Leutnant ihm diese Antwort aber vom Gesicht ablesen. Er lehnte sich in seinen Stuhl zurück und blickte Lenz lange an. »Sie bilden sich wohl immer noch ein, in der BRD die wahre Freiheit zu finden? Fragen Sie sich eigentlich nicht, ob das ›Freiheit‹ ist, wenn in einer Gesellschaft allein das Recht des Stärkeren gilt und jeder sich prostituieren muss, weil allein der Besitz von Geld gesellschaftliches Ansehen verleiht?«
    Sollte er mit diesem Vertreter eines Staates, der allein auf Unmündigkeit und Unterordnung setzte und an seiner Grenze die heimtückischsten Selbstschussautomaten aufgebaut hatte, nur damit seine Bürger ihm nicht davonliefen, jetzt etwa über Freiheit diskutieren? – Lenz konzentrierte sich ganz und gar auf seine Zigarette.
    Der Leutnant fuhr fort: »Alle, die so gern von ihrer individuellen Freiheit schwafeln – womit sie in Wahrheit ja nur die Befriedigung ihrer übersteigerten Konsumbedürfnisse meinen –, übersehen allzu leicht, dass in der westlichen Welt Jahr für Jahr Millionen Menschen die individuelle Freiheit haben, an Hunger und nicht behandelten Krankheiten zu Grunde zu gehen. Der Preis für diese Art von ›Freiheit‹ ist die Kappung jedweder sozialen Gerechtigkeit.«
    »Aber den Verlust jedweder individuellen Freiheit als Preis für ein bisschen mehr soziale Gerechtigkeit akzeptieren Sie?«
    Verflucht! Nun hatte er doch wieder den Mund aufgemacht.
    Der Leutnant verzog das Gesicht. »Der allergrößte Teil unserer Menschen ist froh, auf eine so genannte ›freiheitliche‹ Gesellschaftsordnung, in der der Mensch des Menschen Feind ist, verzichten zu dürfen.«
    Auch das noch: unsere Menschen! Die perfekte Besitzergreifung: Ihr, liebe Staatsbürger, gehört uns, wir umarmen euch schützend und halten euch an der Kette, damit ihr in eurer kindlichen Unvernunft nicht direktemang ins Unglück rennt …
    Knut: »Warum widersprechen Sie mir nicht? Sagen Sie mir doch, was Sie denken. Oder fehlt Ihnen dazu der Mut?«
    Lenz zog an seiner Zigarette. »Das bringt ja nichts.«
    »Wieso denn? Vielleicht lernen Sie hier noch was. Mit Ihrem Gerede von den bürgerlichen Freiheiten verbrämen Sie doch nur Ihre pessimistischen Positionen. Das Leben ist nun mal kein Wunschkonzert. Ihnen fehlt jede ideologische Festigkeit. Und das verwechseln Sie auch noch mit eigenem Denken … Nazis, die ungehindert ihren braunen Geschäften nachgehen können, Drogen, die jungen Leuten

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