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Krokodil im Nacken

Krokodil im Nacken

Titel: Krokodil im Nacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kordon
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hatte sowohl Coswig als auch Hahne verdächtigt, sich mit ihren Freundlichkeiten in sein Vertrauen schleichen zu wollen; und Hahne hatte Coswig verdächtigt. Nun verdächtigten die beiden einen dritten. Waren sie denn alle vom Wahn erfasst? Trauten sie niemandem mehr? Sahen sie sich von Spitzeln umzingelt? Ein ganzer Knast voller Spitzel? Und – Vorsicht! – durfte denn er, Lenz, dieser Bertie-Neudecker-Story glauben? Vielleicht hatte Coswig das Gespräch ja nur deshalb auf diesen Neudecker gebracht, um vor ihnen nicht als Spitzel, sondern als Bespitzelter dazustehen.
    Anders herum funktionierte sie aber auch, diese Theorie: Dann war Hahne das U-Boot der Stasi und wollte den Bespitzelten spielen …
    Am besten, er vertraute keinem von beiden; wer über keine Brücke geht, unter dem kann auch keine zusammenstürzen.

2. Bescherung
    E s ging wieder in jenen alten Knast, von dem Lenz nun wusste, dass es sich dabei um das Gefängnis in der Magdalenenstraße handelte; die »Magdalena«, wie Hahne diesen schlimmen Bau aus Kaisers Zeiten nannte. Einerseits, so vermuteten sie, benutze die Stasi die Magdalena als Besucherknast, um davon abzulenken, wo ihre Untersuchungsgefangenen tatsächlich untergebracht waren; andererseits halte sie den leer stehenden Altbau in Reserve – für den Fall, dass es mal zu einer Verhaftungswelle kommen sollte. Weitsichtig waren sie ja immer schon gewesen, die Genossen Staatsschützer.
    Es war ein Lieferwagen mit der Aufschrift Obst und Gemüse , in dem Lenz diesmal saß; die Fahrer hatten sich mit weißen Kitteln kostümiert. Er hätte über diese Tarnung gelacht, hätte er nicht gewusst, dass auch Hannah mit im Wagen saß. Sie hatte leise gehustet, als er in den Barkas stieg, hatte sicher bei jedem Gefangenen, der gebracht wurde, so gehustet, er jedoch hatte sofort erkannt, wer ihm da ein Zeichen geben wollte, und erregt zurückgehustet. Dabei durchströmte ihn ein tiefes Glücksgefühl, das noch immer anhielt: Hannah! Zum ersten Mal seit langer Zeit waren sie sich wieder so nah; gäbe es die Wände nicht, die sie trennten, hätten sie sich sehen und vielleicht sogar bei den Händen nehmen können.
    Als der Wagen im Gefängnishof hielt, die Verschläge geöffnet und die Untersuchungshäftlinge einer nach dem anderen hinausgeführt wurden, wartete er auf ihre Schritte, erkannte sie und räusperte sich laut, als sie an seinem Verschlag vorübergeführt wurde. Sie sollte wissen, wo er saß. Ihre Erwiderung klang erstickt und Scham beschlich ihn: Durfte er sich über ihre Anwesenheit freuen? Wusste er denn, was sie in den letzten Wochen durchgemacht hatte?
    Es war eine andere Zelle, in die Lenz an diesem Tag geführt wurde. Die Inschriften an den Wänden waren andere, die Rostflecken am Waschbecken auch. Doch er blickte sich nicht lange um, wollte nicht wissen, wer sich hier wann verewigt hatte, blieb gleich neben der Tür stehen und lauschte. Es wurden auch diesmal mehr als vier oder fünf Gefangene gebracht, die konnten unmöglich alle mit dem Obst-und-Gemüse -Wagen herangekarrt worden sein. Vielleicht war auch der Fischlieferwagen und noch ein dritter Barkas im Einsatz gewesen.
    Vom Gefängnishof drang wieder das Geräusch der Kreissäge zu ihm hin. Auch darüber hatte er mit Hahne und Coswig geredet. Der lange Journalist vermutete, dass es in der Magdalena einige Dauerhäftlinge gab, vielleicht ein paar besonders hartgesottene Burschen, und dass dieses ewige Kreischen nichts anderes als eine moderne Foltermethode war. »Die Säge läuft da jedes Mal. Anderthalb Jahre lang hab ich sie bei jedem Sprecher gehört. So viel Holz braucht kein Knast. Vielleicht sägen die per Tonband an den Nerven ihrer Gefangenen herum.«
    Hatte die Stasi so viel Phantasie, sich eine solche Foltermethode auszudenken? Oder hatte Hahne, wie Coswig meinte, zu viel Phantasie und es war in diesem Knast nur eine Tischlerei untergebracht?
    Der erste Gefangene wurde geholt. Doch blieb er nicht lange fort. Bereits nach wenigen Minuten hörte Lenz, wie die Schritte auf dem eisernen Laufsteg sich ihm wieder näherten. Und auch der Nächste wurde nur wenig später zurückgebracht. Was sollte das? Als der Bandwurm ihn, Lenz, aus der Zelle holte, teilte er ihm mit, dass er einen Termin mit seinem Rechtsanwalt habe. Sicher war auch Hannah aus diesem Grund hier – und alle anderen auch? Aber gab es denn so wenig zu bereden?
    Erneut wurde eine Zellentür geöffnet und diesmal erkannte Lenz Hannahs Schritte. Unter tausend

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