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Krokodil im Nacken

Krokodil im Nacken

Titel: Krokodil im Nacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kordon
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und nicht ausreisen wollte, sondern allein auf gute Führung und frühzeitige Entlassung setzte? »Ich würde es niemandem sagen«, beteuerte er. »Aber wenn Berija uns beobachtet?«
    Sie sahen zu den Gittertüren hin, die den Flur vom Treppenhaus trennten.
    Karrandasch: »Na und wenn schon! Er kann doch keinen kranken Mann bestrafen.«
    Unschlüssig blickte Hausmann sich um, dann nickte er plötzlich, legte sich der Länge nach auf den Fußboden, streckte Arme und Beine von sich und machte ein paar gymnastische Übungen. Kaum hatte er sich ein wenig erholt, rasselte der Schlüssel in der Flurtür und Berija trat vor sie hin. »Was soll denn das? Da hat wohl einer Lust auf den Keller.«
    Karrandasch: »Es ging nicht mehr. Und da haben wir ihm geraten, sich hinzulegen. Wir sind ja keine Ärzte, wollten nichts falsch machen.«
    »Aufstehen!«, bellte Berija.
    »Nein.« Hausmann gab sich Mühe, sachlich zu bleiben. »Nicht, wenn Sie mich weiter stehen lassen wollen. Will Ihretwegen nicht zum Invaliden werden. Zwingen Sie mich, zeige ich Sie an.«
    » Sie wollen mich anzeigen?« Er stemmte mal wieder die Arme in die Seiten, der Herr Unterleutnant. »Was glauben Sie denn, wer Sie sind? Sagen Sie mir, wer mich beleidigt hat, und Sie dürfen sich aufs Bett legen und müssen meinetwegen heute überhaupt nicht mehr aufstehen. Aber drohen Sie mir gefälligst nicht, Herr Doktor!«
    Wiegand: »Und wenn Sie uns bis ans Ende unserer Tage hier stehen lassen, aus unserer Zelle war es niemand. Sie müssen sich geirrt haben.«
    Jetzt, das war deutlich zu sehen, begann er doch zu zweifeln, der zuvor so selbstsichere Berija, schrie aber weiter: »Lügen Sie mir nicht die Hucke voll! Sagen Sie mir, wer aus dem Fenster gerufen hat, und Sie haben Ihre Ruhe.«
    Moll, mürrisch, mit längst eingeknickten Beinen: »Was können wir dafür, wenn Sie die Zellenfenster verwechseln.«
    Er hatte das letzte Wort noch nicht heraus, da schlug Berija schon zu. Mit dem Schlüsselbund. Moll stürzte zu Boden, Blut schoss ihm aus Mund und Nase. »Staatsverräterisches Pack! Mit euch müsste man noch ganz anders umspringen.«
    Lenz beugte sich über Moll, tupfte ihm vorsichtig mit dem Taschentuch das Blut aus dem Gesicht und sah ihn fragend an. Der junge Bursche schüttelte stur den Kopf. »Nee! Jetzt erst recht nicht. Der soll mich lecken! Von Hacke bis Nacke.«
    »Was haben Sie gesagt?«
    Karrandasch: »Er hat gesagt, dass ihm der Kopf wehtut – bis hinunter in den Nacken. Wir sollten ihn aufs Bett legen.«
    »Wer hier was sollte, bestimme ich!«
    Wiegand ballte die Fäuste, Karrandasch hielt ihn am Hosenbein fest. »Keine Geschenke! Auf so was wartet der bloß.«
    »Was haben Sie gesagt?«
    Karrandasch krauste die Nase. »Hab gesagt, dass mir schlecht ist. Gewalttaten schlagen mir immer so auf den Magen.«
    »Gewalttaten? Gewalttaten? Die Gewalttäter sind Sie!«
    Schweigen. Lenz half Moll auf, und als er schwankte, stützte er ihn. Moll presste sich sein Taschentuch vors Gesicht und blickte finster.
    Berija: »Also, wollen Sie jetzt vernünftig sein und reden?«
    Voll kochender Verachtung blickten sie an ihm vorbei.
    »Na gut! Dann machen Sie sich mal auf eine lange Nacht gefasst.«
    Es reichte, noch länger durfte Lenz die anderen fünf nicht leiden lassen.
    Er hatte den Mund schon auf, um Berija zu seinem Triumph zu verhelfen, da befahl der plötzlich: »Sie holen sich Reinigungsgeräte, und dann fegen und wischen Sie alle Flure und seifen alle Wände und Türen ab. Finde ich irgendwo auch nur ein einziges Staubkörnchen, gnade Ihnen Gott.«
    Er sagte es nicht in einlenkendem Tonfall, er stieß es heraus, als hätte er sich wegen ihres Verhaltens eine ganz besonders grausame Strafe ausgedacht. In Wahrheit gab er auf. Er konnte sie nicht ewig hier stehen lassen, konnte sie auch nicht einen nach dem anderen zusammenschlagen oder in den Arrest sperren; solange sie zusammenhielten, war er machtlos. Cottbus war ein VEB Strafvollzug, kein KZ.
    Erleichterung trat in ihre Gesichter, beinahe hätten sie einander zugelächelt. Alles war gut, wenn sie nur nicht länger stehen mussten.
    Als sie dann endlich arbeiten durften und Berija außer Sicht- und Hörweite war, bedankte Lenz sich bei seinen Zellengenossen. Hausmann, Wiegand und Karrandasch winkten nur ab, Brandt sagte mürrisch »Bitte!«, Moll fand, ein halbes Päckchen Tabak plus fünfzig Blatt Zigarettenpapier wäre sein blutendes und schmerzendes Gesicht schon wert. Lenz versprach ihm ein ganzes

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