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Krokodil im Nacken

Krokodil im Nacken

Titel: Krokodil im Nacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kordon
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gerne zusammen.«
    War das wieder so ein Psychotrick? Die reine Angstmache? »Was für ›geheim zu haltende‹ Nachrichten oder Gegenstände sollen wir denn gesammelt haben?«
    Eine Frage, über die der Klassensprecher nur lachen konnte. »Sie wollen rausfinden, was wir wissen? Anders herum wird ein Schuh daraus: Sie packen aus und wir vergleichen. Wie schon gesagt, es geht auch darum, herauszufinden, ob Sie die Wahrheit sagen.«
    »Dann muss ich Ihnen leider meine Mitarbeit aufkündigen. Weder meine Frau noch ich haben je etwas gesammelt, weder Briefmarken noch Nachrichten.«
    »Ihre Frau und Sie haben jahrelang in zwei der wichtigsten Außenhandelsunternehmen unserer Republik gearbeitet.«
    »Was hat das denn mit Spionage zu tun? Außerdem hatte ich dort längst gekündigt.«
    »Ja. Vor einem halben Jahr. Und inzwischen haben Sie alles vergessen?« Der Leutnant winkte ungeduldig ab. »Menschenskind, wir befinden uns mitten im Klassenkampf! ›Wer – wen?‹ heißt die große Frage der Zeit. Sollen wir uns da von den feindlich-negativen Kräften im Westen unsere Leute abziehen und sie drüben in aller Ruhe abschöpfen lassen?«
    Wenn Gott will, macht er aus ’nem Fliederstrauch ’ne Kanone! »Aber meine Frau und ich, wir hätten uns nicht abschöpfen lassen. Das ist nicht unser Niveau.«
    »Die Bewertung Ihrer Person und Ihrer Handlungen müssen Sie schon uns überlassen. Fakt ist, dass Sie im Westen von einem Geheimdienst zum anderen geschleppt worden wären; die Amerikaner, Engländer, Franzosen, die Westdeutschen, vor allen Schreibtischen hätten sie gestanden. Und dann hätten sie ausgepackt, glauben Sie mir das. Weil Sie sich drüben sicher gefühlt hätten, um sich wichtig zu tun, irgendwelcher Vorteile wegen oder weil man Ihnen angedroht hätte, Sie ansonsten postwendend zurückzuschicken.«
    »Aber was hätten wir denn verraten können? Die Größe der Dienstreiseformulare? Irgendwelche Herstellungspreise? Munkeleien über innerbetriebliche Liebschaften?«
    »Man hätte Sie nach den Strukturen und Plänen Ihrer Betriebe ausgefragt.«
    »Was wir wissen, steht jeden Tag im Neuen Deutschland .«
    »Sind Sie sich da so sicher?«
    Ein Roman von Kafka! Einer der versponnenen Kriminalfilme von Hitchcock! Der Gedanke wird zur Tat, die Schwester zur staatsfeindlichen Verbindung, die Familie zur Gruppenbildung, wer nicht mit geschlossenen Augen die Straße fegt, ist ein Spion. Lenz wünschte sich in seine Zelle zurück. Nur eine Frage hatte er noch: »Meine Frau – werd ich sie irgendwann sprechen dürfen?«
    »Wenn die Vernehmungen abgeschlossen sind, warum nicht? Auch wenn die westliche Propaganda das nicht wahrhaben will: Wir sind keine Unmenschen, wir schützen nur unseren Staat.«
    Als Lenz an diesem Tag in seine Zelle zurückgebracht wurde, war es bereits finster hinter den Glasziegelsteinen. Das helle Neonlicht, das jede Ecke des Raumes ausleuchtete, erschien ihm greller, die nackten Wände, die ihn umgaben, kälter als sonst. Er rührte die während seiner Abwesenheit auf dem Tisch abgestellten Klappstullen nicht an, kippte auch nicht, wie an vielen Abenden zuvor, als Erstes den Muckefuck weg, sondern stürzte sich gleich in einen seiner Zellenmarathons. Das waren nun aber keine acht Schritte mehr, das waren nur noch fünf. Bemerkte er, dass er beobachtet wurde, baute er sich in herausfordernder Haltung vor der Tür auf. Auch in der Nacht, auf seiner Pritsche, beruhigte er sich nicht.
    Sie wussten noch nicht, ob sie Hannah und ihn auch wegen Agententätigkeit anklagen sollten; sie ermittelten noch! Das konnte einer ihrer Tricks sein, ein Einschüchterungsversuch, aber was, wenn nicht? Dann sahen sie die Kinder erst wieder, wenn sie längst erwachsen waren … Zehn Jahre oder noch mehr, vielleicht sogar zwanzig, würden sie ihnen aufdrücken, die Genossen Staatsschützer. Weshalb sollten sie denn kleinlich sein? Sie rächten sich an denen, die sie verlassen wollten. Wie ein böswilliger, von seiner großen Liebe verschmähter Ehepartner schlugen sie zu: Du liebst mich nicht mehr, also mach ich dich kaputt …
    Ein Witz fiel ihm ein, einer, über den er mal herzlich gelacht hatte: Honecker veranstaltet für das diplomatische Korps eine Wildschweinjagd. Doch die Genossen Treiber spüren kein Wildschwein auf. Da setzt Honecker Stasi-Leute ein, die dann auch bald einen an den Läufen gefesselten Hasen heranschleppen. Was das solle, fragt er. Antwort: Nach intensivem Verhör habe der Hase gestanden, ein

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