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Krokodil im Nacken

Krokodil im Nacken

Titel: Krokodil im Nacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kordon
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dem Eisbären fotografieren lassen konnten.
    Kein Mann, vor dem Manni sich hätte fürchten müssen, wäre Roberts und Wolfgangs Vater noch am Leben gewesen. Nur dass er, Manni, dann erst gar nicht zur Welt gekommen wäre, verwunderte und ängstigte ihn. Außerdem empfand er es als unheimlich, dass dieser Dicke schon so lange tot sein sollte. Das konnte doch nicht sein, dass jemand plötzlich weg war. Und so stand er oft im dritten Keller und starrte die spinnwebenüberzogene Wand an, hinter der dieser vierte, unheimliche Raum lag. Selbst als er bereits wusste, dass der Keller dahinter der Familie Quandt gehörte, die ihn von der Hauskellerseite aus betreten konnte, blieb dieses Gänsehautgefühl.
    Kurz vor Mannis sechstem Geburtstag wurde in die Lenz’schen Keller eingebrochen. Die Einbrecher drangen durch die Straßenluke bis in den Kartoffelkeller und unter die Luke zur Gaststätte vor. Die aber war mehrfach verriegelt, die bekamen sie nicht auf. Und da pflegten sie aus Ärger über die vergebliche Liebesmüh eine alte Sitte der Berliner Ganoven und schissen ihnen in den Keller. Und als Wolfgang am nächsten Morgen voller Begeisterung darüber, in einen Kriminalfall hineingeraten zu sein, die Stiege hinunterstürzte, rutschte er in dem Haufen aus und saß drin. Darüber hatten sie noch lachen müssen, als Wolfie längst gestorben war und die Erinnerung an ihn sie ansonsten nur traurig stimmte.
    Die beiden Einbrecher, so vermutete die Mutter, waren zwei Stammgäste, die sich danach lange nicht blicken ließen: Onkel Murkel und der bucklige Kurt. Gerade diese beiden aber mochte Manni. Onkel Murkel war immer gut gelaunt, hatte eine rote Erdbeernase und fuhr mit seiner Nuckelpinne Kuchen aus. Für eine Großbäckerei. Oft brachte er seinem Freund Manni die entzweigegangenen Reste mit. Der bucklige Kurt wusste jede Menge verrückte Geschichten zu erzählen; in der Stadt passierte nichts, ohne dass er davon erfuhr, irgendwie daran beteiligt war oder einen Bekannten hatte, der ganz tief in der Sache drinsteckte. Er war bekannt dafür, schon öfter wegen Einbruchs gesessen zu haben. Aber das waren Einbrüche bei irgendwelchen fremden Leuten; jetzt sollte er in der Kneipe, in der er Stammgast war, eingebrochen haben. Es verletzte Manni, dass ausgerechnet diese beiden verdächtigt wurden und sie ihnen, wenn sie es waren, obendrein auch noch in den Keller geschissen hatten.
    Weil die Mutter den beiden ihre Tat nicht nachweisen konnte, machte sie ihnen keine Vorwürfe, sondern bediente sie, als sie wiederkamen, wie zuvor. Manni jedoch sah ganz deutlich, dass Onkel Murkel und der bucklige Kurt ihre Lustigkeit nur spielten, und blickte sie so strafend an, dass die beiden sofort wussten, was im Ersten Ehestandsschoppen vermutet wurde. Wie aber hätten sie das wissen können, wären sie nicht die Einbrecher gewesen?
    Außer dem ersten und dem dritten Keller fürchtete Manni besonders die Toiletten. Es waren ja nicht ihre eigenen Toiletten, es waren die der Gäste. Andere Toiletten aber gab es nicht und so musste auch er auf die Gästeklos.
    Besonders das Männerklo war ihm verhasst. Da gab es vorn eine teerige, ekelhaft stinkende Pissrinne und hinten, in einem abgeteilten Raum, die Kloschüssel. Wie oft saß er hinten, hörte vorne die Männer reden und pinkeln und vor Erleichterung ächzen und der Gestank nach Urin und Desinfektionsmittel verschlug ihm den Atem. Trotzdem wartete er geduldig. Er wollte nicht an den Männern vorbei, die da, in ihre Alkoholfahnen gewickelt, so lautstarke Gespräche führten. Drängte es einen von ihnen nach hinten, schrie er: »Besetzt!« So kam es vor, dass er, wenn an der Pissrinne viel Betrieb war, manchmal längere Zeit nicht dahinten rauskam, die Gäste sich beschwerten und die Mutter ihn befreien kommen musste. Deshalb bevorzugte er für die großen Geschäfte bald lieber das Damenklo. Da gab es keine Pissrinne, da stank es nicht so sehr, da musste er nur die weißen, rot befleckten Binden fürchten, die manchmal unter seinem Hintern herumschwammen und die Mutter so aufregten, weil sie ihr immer wieder das Klo verstopften. Diese Binden sahen aus wie große, weiße, frisch geschlachtete Ratten. Er war sich nicht sicher, ob die Biester nicht doch lebten und zubeißen konnten, wenn sie wollten.
    Einmal sah ihn eine ältere Frau aus dem Damenklo kommen. Sie fühlte sich von dem Knirps im Schlafanzug halb vergewaltigt und beschwerte sich bei der Mutter. Da wollte Manni eine Zeit lang gar nicht

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