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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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hergab. Vom Kaminzimmer kam man direkt in einen Stall, in dem ihr Lieblingspferd stand. Es hieß Dädalos, und Karin ließ die Tür zum Stall gerne auf; sie mochte es, wenn der Geruch von dort einströmte, wenn Dädalos schnaubte und der Widerschein der Flammen dazu über Willems Haut tänzelte.
    Willem fand es interessant, mit welcher Leidenschaft sich Menschen in verschiedenste Richtungen neigen konnten. Ein weites Feld, sagte er, und seine eigene Neigung nannte er gezügelt. Keine Fetische, einfach gemeinsame Erfüllung. Und Karin hatte nichts dagegen. Er brachte ihre Bauchdecke zum Flimmern, er wußte, wo er wunderbares Tremolo anschlagen konnte und wo Weichheit sich in Schwellung verwandeln ließ. Manchmal legte er es darauf an, daß ihr die Augäpfel in die Stirn wegrollten, und Willem konnte auch im nächsten Semester den Veranstaltungsplan mühelos frisieren. Und wenn Kronhardt der hohe Kilometerstand auffiel, hob Willem nur die Schultern. Kaum einer seiner Studiengenossen könne sich ein Auto leisten. Noch dazu ein Werksmodell. Und oft genug gebe er ihrem Drängen auf eine Spritztour nach und präsentiere Technik und Komfort. Und es sei kaum zu glauben, wie gerade die jungen Frauen heutzutage sich dafür begeistern könnten.
    Und so lenkte er bis in den Herbst auf vertrauten Wegen ins Rotenburgische. An den Wümmewiesen vorbei, am Teufelsmoor, dann einen Geestrücken hinauf, und der Buchenwald drängte bis gegen die Landstraße. Ihr Gehöft lag abseits. Der Weg dorthin führte vorbei an ausgedehnten Koppeln, und gegen den Horizont standen wieder Buchen.
    Karin beendete die Beziehung zu Willem im nebeligen November. Sie wollte es schonend angehen, doch sie konnte ihre Enttäuschung nicht recht verbergen. Willem – sie sagte Herr Przewalski – lasse sich von Pferdestärken chauffieren und bekomme dennoch Ringe unter den Augen und erscheine ausgemergelt. Dabei habe sie gerade ihm diese Urkraft zugetraut, die sie in sich selber verspüre. Als die Männer noch Wildpferde zähmten und die Frauen gerade das wollten.

21
    Sie saßen bei Macciavelli. Der kleine Italiener war den Jungs gegenüber aufgeschlossen; rings die Rebellionen gegen die Alten schienen ihn zu faszinieren. Er erzählte, daß er unlängst auf Besuch in Rom gewesen sei bei einem Vetter, der bei den Kommunisten mitmarschiere, und ein paarmal sei er auch schon mit dem Zug durch Paris gefahren und habe einiges gesehen. Den Jungs gefiel es, wie er sprach; sie mochten seinen Tonfall, seine anders geformten Sätze und seine Fähigkeit, fehlenden Wortschatz auf eine Art zu umschreiben, die stets neue Blickwinkel bot. Zudem hatte er Humor und war dabei nicht aufdringlich. So saßen sie und tranken Espresso, den Macciavellis schöne Frau in einer italienischen Maschine bereitete.
    Vor dem Eiscafé blieben zwei Frauen mit ihren Pudeln stehen, und die Tiere beschnupperten einander; dahinter, auf einem von Linden umstellten Platz, saßen ein paar Hippies. Einer von ihnen spielte auf einer Wandergitarre. Willem beobachtete, wie Macciavellis Frau die große Espressomaschine bediente. Wenn sie den Hebel an der Seite herunterzog, konnte er ihr Achselhaar sehen. Schlosser rollte eine Zigarette; er holte den Benziner vor, und bald wurde der Rauch von den Sonnenstrahlen erfaßt, die steil durchs Fenster stießen. Dann erzählte er von Gisela.
    Seit ein Freund sie mit nach Berlin genommen hatte, war sie nicht wieder zurückgekehrt. Sie hatte sich auf eine Liste der Freien Universität gesetzt und war in eine Kommune gezogen. Schlosser war bereits mehrmals dortgewesen, und bald wollte er seinen Wohnsitz nach Berlin verlegen. Sie hatten eine alte Fabrikhalle in einem Hinterhof; ein großer Raum mit Eisenträgern, ein paar Flaschenzüge hingen noch, ein paar Werkbänke standen noch, und ständig kamen und gingen irgendwelche Leute. Und abends lief meistens eine Party. Aus der Halle kam man über eine Galerie in den ehemaligen Verwaltungstrakt, und dort lebte die Kommune. Es gab ein schwarz angeschlossenes Telefon, von dem nur wenige wußten, und dreimal in der Woche rief Gisela bei der Kaffeewitwe in Bremen an. Mittlerweile war Gisela als Studentin eingeschrieben, doch Schlosser glaubte nicht, daß sie ihre Vorlesungen und Seminare regelmäßig besuchte. Aus der Kommune heraus kämpfte sie weiterhin für die Sache, das neue Umfeld und die

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