Kronhardt
decken hier drauÃen zu.
Bringen Sie uns vorher noch einen Calvados?
Sehr wohl.
Tatsächlich wird die Linde bereits von rauschenden StöÃen erfaÃt, und hinter den aufziehenden Wolken ist die Sonne weià mit einem gleiÃenden Hof. Die Lichtspiele auf dem Kieselboden erscheinen stakkatohaft, rings die wenigen Gäste sind verschwunden. Und als Katja rauchen will, treibt ihr der Wind Strähnen ins Gesicht, und zuletzt muà sie sich abdrehen.
Dann sagt Willem: Die Okklusion findet statt.
Katja sieht ihn an, und nach einer Zeit lacht sie. Ich hab nichts mit.
Ich habe auch aufs Hoch gesetzt.
Als der Kellner vom Tablett serviert, sagt Willem: Haben Sie ein Zimmer frei?
Ja.
Nach dem Calvados ist die Sonne verschwunden; nur gelegentlich flammen noch Wolkenränder auf, und wie ein Strom zieht Regengeruch in die trockene Luft.
Sie tragen sich an der kleinen Rezeption ein, dann geht der Kellner die grünlackierte Holztreppe voran. An den getäfelten Wänden hängen Bälge, und Willem erkennt auf Anhieb Buteo buteo oder Strix aluco, den Waldkauz. Auch oben fehlen die Trophäen nicht: Zwölfender, Keilerkopf, und zuletzt markiert eine Trappe kaum noch vorstellbare Vergangenheit.
Das Zimmer riecht nach Reet und hat einen einfachen Charme. Ein Tisch, zwei Stühle, und neben dem Bett eine Gaube mit zwei halbrunden Flügelfenstern. Schmale Teppiche auf den Dielen, an den gekalkten Wänden eine Worpsweder Landschaft und ein SchwarzweiÃbild von Feldarbeitern, die gegen einen weiten Horizont Garben binden. Der Kellner steht in der Tür. Wünschen Sie noch etwas?
Später.
Sehr wohl. Und er deutet die Verbeugung an.
Katja steht in der Gaube und sieht hinaus. Starker Regen hat eingesetzt, es ist laut, und die feuchten Gerüche steigen auf. Sie sagt: Boris könnte jetzt über Neufundland sein. Dann geht sie zum Bett. Zieht ihre Schuhe aus, drückt ein Kissen gegen die Wand und setzt sich in die Laken.
Willem hat aus einem Krug Wasser eingeschenkt. Er bringt ihr ein Glas, dazu einen Aschenbecher und kommt mit dem Stuhl ans Bett. Sieht ihr Achselhaar, die Schatten unter den leichten Kleidern. DrauÃen prasselt der Regen, und die Erde dampft.
Tatjana war ein fröhlicher kleiner Mensch, ein hübsches Mädchen mit einem herzlichen Lachen. Sie war aufgeschlossen, begriff Zusammenhänge schnell und konnte analytisch denken. Wir glaubten, daà unsere Neigungen sich gut in ihr auswirkten.
Auf der Oberschule hatte sie keine Probleme, ihre Freunde waren nett. Im Sommer badeten sie im See, im Winter liefen sie Schlittschuh. Im Jugendlager saÃen sie gemeinsam am Feuer, sie rauchten heimlich, entdeckten sich und offenbarten einander ihre inneren Regungen. Bald zerbrach eine Freundschaft wegen eines Jungen, bald kamen neue Freundinnen und neue Jungs; Tatjana zeigte einen Geschmack für ihre Kleider, und wenn sie zum Tanzen ging, trug sie Parfüm auf. Als sie die Pille wollte, kam sie zuerst zu mir.
Tatjana schien bei sich zu sein, und aus dieser Sicherheit heraus entwickelte sie Zuverlässigkeit und Sensibilität. Sie fuhr gerne mit dem Rad hinaus, sie las gerne, sie richtete ihre Zeit so ein, daà nichts Wichtiges verkümmerte. Sie hat uns von sich erzählt und von ihren Freunden. In unseren Augen verlief Tatjanas Entwicklung wirklich sehr gut.
Durch die Gaubenfenster scheint es, als wären die Wetterfronten direkt über ihnen zusammengestoÃen. Gegen einen gleiÃenden Spalt drängen zwei mächtige Wolkendecken, bald drücken Schleier herab, unter denen die Baumwipfel kaum noch sichtbar sind. Bald überschneiden sich Blitz und Donner, und in der einsetzenden Kühle schlagen die Dämpfe nieder.
Katja sieht hinaus; Regen schlägt gegen die Scheibe, zerläuft in endlos neuen Bahnen und Teilchenspuren. Boris, sagt sie, könnte jetzt schon über Vermont sein.
Daà aber unser kleines Glück bald zusammenbrechen würde, sagt sie, das konnten wir nicht ahnen. Sie sitzt mit angezogenen Beinen und hat sich die Decke übergelegt.
Im Gegenteil, ohne daà wir etwas dazu taten, verliebte Tatjana sich in den Sohn eines befreundeten Ehepaares; sein Vater spielt den Baà in der Combo. Und Boris und das Orchester hatten zudem eine ganz wunderbare Saison mit Brahms, und nach dem AbschluÃkonzert, bei Spanferkel und FaÃbier, kamen Bürgermeister und erster Sekretär zu uns an den Tisch. Sie küÃten Tatjana und
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