Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
begab er sich in eine im Westflügel der Burg gelegene Kammer, die er in der Zeit des Wartens auf des Königs Rückkehr für sich eingerichtet hatte. Während es sich der Felsenfreund auf dem Fenstersims gemütlich machte und, bevor er einschlummerte, gedankenverloren die vom Mond beschienenen Berggipfel des Riesengebirges betrachtete, legte sich der Prinz auf eine in die Wand eingelassene Steinpritsche. Lange dachte er über die Worte seines Vaters nach, während er dem Flüstern der Steine lauschte. Er wurde das Gefühl nicht los, dass ihn die geplante Begegnung mit dem Drachen, den er und Goncha hoch oben in den Wolken beobachtet hatten, seiner Aufgabe und dem Ziel näherbrachten. Die Nähe des Drachen und seines Reiters war spürbar. Sie konnten nicht weit entfernt sein und waren auf der Suche. Wonach sie allerdings suchten, blieb Vargnar verborgen. Er würde es gewiss herausfinden, sobald er sich auf den Weg machte, den Drachenreiter zu finden. Mit einem letzten Gedanken, der ihm ein Lächeln aufs Gesicht zeichnete, schlief er schließlich erschöpft ein. Zehn harte Tage ohne Schlaf, Rast und Ruhe hatten an seinen Kräften gezehrt. Die Felsen flüsterten. Der Schlaf war traumlos.
Die Felsgeborenen waren zurück.
E IN L IED FÜR DIE D RACHEN
D er Schmerz war unerträglich, steigerte sich mit jeder Sardas von einem Höhepunkt zum nächsten. Unablässig peinigten die Flammen ihr Opfer. Sie drangen in Mund, Nase und Ohren, verzehrten begierig die Nahrung, die ihnen Haare und Fleisch boten. Ein stummer Schrei lag auf den von der Hitze verkohlten Lippen. Keuchend sog Nalkaar die flimmernde Hitze ein. Sie war überall um ihn herum. Es gab kein Entrinnen. Obwohl er verzweifelt versucht hatte die Luft anzuhalten, musste Nalkaar dem unweigerlichen Drang zu atmen nachgeben. Längst brannte das Feuer in seinem Innersten, brachte ihn zum Glühen, die Organe zum Schmelzen und hatte Stimmbänder und Lunge verbrannt. Die Zunge war ein welker, ausgetrockneter Stummel, auf dem eine Flamme tanzte und sich bläulich schimmernd von dem schwarzen Wurm abhob, von dem sie sich nährte.
Nalkaar hatte jedes Gefühl für Zeit und Raum und am Ende auch für sich selbst verloren. Es gab nur den Schmerz, der nicht nachlassen wollte. Anfangs hatte er versucht, sich dagegen zu wehren und sich nicht in der nicht enden wollenden Qual zu verlieren. Doch es war zwecklos. Der Widerstand gegen die Flammen der Pein hatte sein Schicksal verschlimmert. Wütend hatte das Feuer auf seine Respektlosigkeit reagiert und seine Haut vom Leib geschält. Die Flammen züngelten gierig um Beine und Arme, als wäre er ein hölzernes Stück Brennholz, dessen erste und einzige Bestimmung es war, zu Asche verbrannt zu werden. Kaum hatte er einmal das Gefühl, es sei nichts mehr von ihm übrig geblieben und er stünde vor dem unweigerlichen Ende seines Seins, hatte es von vorne begonnen. Inmitten der Flammen stehend setzte sich sein verbrannter Körper aus der Asche wieder zusammen und nahm ihm durchaus nicht unbekannte Konturen an.
Der Todsänger konnte jeden Zoll seines Körpers spüren. Seine Nerven waren bis aufs Äußerste gereizt und besonders empfänglich für die Qual des Verbranntwerdens. Er sah, wie sich die Haut von seinem Leib schälte und das darunter liegende Fleisch freilegte, das nur wenig später Blasen werfend versengt wurde. Danach fühlte er, wie die Hitze seine Augäpfel verdampfen und ihn erblinden ließ. Dabei sehnte er die Schatten herbei, erhoffte sich die rettende Kälte des Todes und Ruhe. Nichts als Ruhe. Ein kühler Hauch der ewigen Dunkelheit. Der endgültige Tod wäre das Entrinnen von den fortwährenden Schmerzen. Nichts war ihm länger wichtig oder vertraut. Warum kamen sie nicht und erlösten ihn von der Pein? Worauf warteten sie bloß?
Nalkaar wusste, dass die Schatten allgegenwärtig waren. Aus freien Stücken und ohne Zögern wäre er ihnen in ihr Reich gefolgt. Nur um die Erlösung zu erlangen. Aber sie kamen nicht. Alles Flehen und Schreien half nichts. Sie hörten ihn nicht. Wie sollten sie auch? Keinen Ton brachte er zustande. Sicher, sie beobachteten ihn. Vielleicht verspotteten sie ihn sogar. Schließlich ließ er die Hoffnung fahren und gab sich den Flammen hin. Das machte die Qualen zwar nicht leichter, aber das Vergessen half ihm, sein Schicksal besser zu ertragen.
Schon einmal zuvor hatte er sich in den Flammen der Pein gewunden. Doch die Erinnerung daran war schwach und lag tief in seinem Unterbewusstsein
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