Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
tun, als dich auf der Stelle zu bitten meine Frau zu werden. Aber das geht nicht. Noch nicht jedenfalls. Ein Leben auf der Flucht stünde uns bevor. Wir müssten jeden Tag fürchten entdeckt zu werden. Es wäre nicht richtig, den Fürsten zu bitten, uns länger als nötig Schutz zu gewähren. Er brächte sich selbst in Gefahr. Und ich würde dich und Tomal gefährden, wenn ich bliebe. Der Winter ist vorüber. Ich muss nach Antworten suchen und mich dem Orden stellen«, sagte Madhrab mit finsterer Miene.
»Wozu soll das gut sein?«, ereiferte sich Elischa. »Sie haben dich betrogen und dein Vertrauen missbraucht. Sie haben dich gefoltert und schreckten nicht einmal davor zurück, dich töten zu wollen. Glaubst du denn wirklich, sie versuchen es nicht noch einmal? Du bist eine Gefahr für den Overlord, du bist zu mächtig und du weißt zu viel. Wir brauchen dich, Madhrab. Weder mir noch Tomal ist geholfen, wenn du für uns oder deine gefühlte Verpflichtung stirbst.«
»Hab keine Angst. Dieses Mal bin ich gewappnet und der Gang zu den Schatten ist weit. Hätte ich die Gelegenheit gehabt, mich Boijakmar eher zu stellen, hätte ich sie genutzt. Aber ich war zu schwach, um ihm gegenüberzutreten, und ich musste dich zuerst in Sicherheit wissen. Das war der Grund, warum ich aus dem Haus des hohen Vaters geflohen bin. Ich bin dem Orden verpflichtet, das ist nicht nur ein Gefühl. Es ist ein Teil meiner selbst. Meine Kindheit und Jugend habe ich unter den Bewahrern verbracht. Boijakmar war mein Mentor, Ausbilder und väterlicher Freund. Von Anfang an. Ihm habe ich es zu verdanken, was ich geworden bin. Ich schulde ihm zumindest einen Blick in die Augen und sei es auch das letzte Mal, dass wir uns gegenübertreten. Und er schuldet mir Erklärungen. Außerdem will ich mich vergewissern, dass Brairac und den getreuen Sonnenreitern, die uns bei der Flucht halfen, nichts zugestoßen ist. Das könnte ich mir nicht verzeihen.«
Elischa fiel es schwer, Madhrab in die Augen zu sehen. Sie wusste, dass sie ihn nicht davon abbringen konnte, sich seinem Schicksal zu stellen, und war deshalb den Tränen nahe. Den Winter über hatte sie all die offenen Fragen verdrängt, was werden würde, wenn die Wege aus Eisbergen über den Choquai oder das Ostmeer wieder offen waren. Sie hatte sich etwas vorgemacht und von einer sicheren Zukunft geträumt. Frei von Zwängen, den Mauern und Regeln der Orden und dem belastenden Gefühl der Verfolgung, das wie ein dunkler Schatten über ihren Gedanken hing und ihr das Herz drückte. Doch Madhrab und sie befanden sich mittendrin im Spiel um die Macht; sie waren Teil des großen Ganzen und stellten vielleicht die winzig kleine Feder dar, die den entscheidenden Ausschlag auf der Waagschale geben mochte, um das Ungleichgewicht der Welt wieder auszugleichen.
Alle hatten sich rührend um Tomal und sie gekümmert. Madhrab stattete ihnen Besuche ab, wenn er während der Zeit der Ruhe und Erholung im Eispalast verweilte, um Kräfte zu sammeln, genauso wie Alvara und Corusal, wenn Madhrab mit der Ausbildung der Eiskrieger in den Einöden des ewigen Eises beschäftigt war. Der Lordmaster hatte dem Fürsten versprochen, sich um den Wiederaufbau seiner Leibgarde der Eiskrieger zu kümmern, damit sie ihre alte Stärke und mehr noch wieder erreichen konnten. Diesen Wunsch hatte er ihm unmöglich abschlagen können. Nach alle dem, was der Fürst für Elischa und ihn getan hatte. Madhrab weilte durch diesen Freundschaftsdienst des Öfteren für Tage oder gar Wochen fern vom Eispalast und konnte daher Elischa und Tomal nicht sehen. Als Gegenleistung für den fortwährenden Schutz und die Wiedergutmachung für den hohen Verlust an Eiskriegern während der Schlacht am Rayhin war dieses vergleichsweise geringe Opfer jedoch mehr als angemessen. Fürst Alchovi wusste die Unterstützung zu schätzen. Ohne die Hilfe des Bewahrers wäre es in der Kürze der Zeit nicht gelungen, die Eiskrieger während der Wintermonde zu einer solchen Schlagkraft zurückzuführen.
Es war zu schön, um auf Dauer wahr zu bleiben. Insgeheim hatte sie geahnt, was kommen musste. Madhrab hatte recht. Er war ein Bewahrer und durfte nicht bleiben, um sich unter dem Schutz des Fürsten zu verstecken und in vermeintlicher Sicherheit zu wiegen. Es gab nur diesen einen Weg. Er musste die Auseinandersetzung suchen, wenn es sein musste, Boijakmar und den Brüdern den offenen Kampf ansagen. Sie verstand den Lordmaster, obwohl sie dies ihm gegenüber nie
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