Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
Herzen des Faraghad auszuschalten. Dies durfte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Zauber des Saijkalrae-Bruders nach wie vor wirkte und der Rest des Kontinents in Dunkelheit versank. Mit fatalen Folgen, wie sie annahm.
Die starke Abneigung Kallyas gegen die Nacht und die Dunkelheit störte Metaha, denn sie hatte zur Folge, dass das Mädchen insbesondere dem Jäger Baijosto mit Zurückhaltung und gar Skepsis begegnete.
»Er ist ein Dunkler«, hatte Kallya Metaha eines Tages gestanden, »ich mag ihn nicht.«
Sie hatte versucht dem Lesvaraq zu erklären, wie es zu dem Fluch gekommen war, den Baijosto seit seiner Begegnung mit dem Krolak in sich trug, die ihn beinahe das Leben gekostet hatte, und wie wichtig der Waldläufer für die Naiki-Siedlung war. Es war ihr allerdings nicht gelungen, Kallya zu überzeugen und ihr Baijosto näherzubringen. Möglicherweise war es für ein Verstehen zu früh für das Kind. Für sie war und blieb er ein Krolak und gehörte als solcher den Geschöpfen der Dunkelheit an. Diese wiederum stellten eine Gefahr für sie selbst und die Naiki dar.
In seiner Nähe fühlte sich der Lesvaraq nicht wohl. Sie konnte den in ihm schlummernden Fluch des Krolak jederzeit am eigenen Leib spüren und meinte, er nehme ihr das Licht und bringe die Kälte in ihr Herz. Die Gefahr für das Leben Baijostos erkennend, das Mädchen könnte die Naiki mit ihrer Einstellung gegen Baijosto beeinflussen und der Naiki-Jäger dadurch allmählich in der Gemeinschaft ausgegrenzt werden, hatte sie ihn gebeten, der Siedlung für eine Weile fernzubleiben. Zumindest so lange, bis Kallya hinzugelernt hatte und ein tieferes Verständnis für die Bedeutung des Gleichgewichtes entwickelt hatte. Das war umso schwieriger für sie, da das Mädchen gleichzeitig von anderer Seite wegen ihrer Lichtgestalt geradezu vergöttert wurde. Es brach ihr das Herz, ansehen zu müssen, wie die Ablehnung gegen Baijosto wuchs. Er und sein Bruder Taderijmon waren wie eigene Söhne für die Hexe, und sie fürchtete, dass sich eine offene Feindschaft zwischen Kallya und Baijosto entwickeln könnte, die ein übles Ende nahm, wenn es ihr nicht gelang, das Mädchen zu überzeugen. Dabei war er es, dem Kallya letztlich zu verdanken hatte, dass sie unter ihrer und der Obhut der Naiki aufwachsen konnte. Der Waldläufer hatte die Bedeutung ihrer versklavten Mutter erkannt, sein Leben für sie riskiert und den inneren Rat davon überzeugt, zu handeln und Solras aus den Klauen der Rachuren zu befreien. Ohne Baijostos selbstlosen Einsatz wäre Kallya in den unterirdischen Brutstätten der Rachuren geboren worden und, aufgrund Rajurus Verbundenheit mit dem dunklen Hirten, dem Zugriff der Saijkalrae schutzlos ausgeliefert gewesen. Ihr Leben hätte keinerlei Wert besessen. Der dunkle Hirte hätte sie einfach ausgelöscht, so als hätte sie niemals existiert. Kallya musste schnellstmöglich begreifen, dass das Licht nicht ohne Schatten existieren konnte und die Zugehörigkeit zur Nacht nicht gleichbedeutend mit dem Bösen war. Auf beiden Seiten gab es gut und schlecht in allen denkbaren Schattierungen. Stimmte das Gleichgewicht der Verhältnisse, glichen sie sich gegenseitig aus und ergänzten sich in den meisten Fällen sogar. Nur auf diese Weise konnte das Leben in der Vorstellung Metahas auf Ell bestehen.
Taderijmon hingegen wurde von Kallya sehr geschätzt und er erwiderte ihre Zuneigung wie ein großer Bruder. Sie hatte ihn in den vergangenen Monden oft an seinem Krankenlager besucht, während er sich von der Folter der Häscher des dunklen Hirten langsam erholte. Er war nicht mehr derselbe, seit ihm Haisan und Hofna die Haut vom Gesicht gezogen hatten. Über dem Fleisch hatte sich eine frische, rosige Narbenhaut gebildet, die ihn entstellte und ihm das Aussehen eines Maskierten verlieh, dessen Gesicht durch ein Feuer zerstört worden war. Doch Taderijmon litt nicht alleine an den nach außen sichtbaren Folgen der Folter. Der Schmerz und die Erinnerung saßen tiefer. Er hatte die Unbeschwertheit, die Fröhlichkeit und den Mut des Naiki-Jägers verloren. Die meiste Zeit über lebte er zurückgezogen in seiner Behausung innerhalb der Siedlung und wollte niemanden sehen. Er mied die Ratssitzungen und erledigte die wichtigsten Gänge unter dem Schutz eines Kapuzenmantels, wenn die Lichter in der Siedlung längst gelöscht worden waren. Natürlich kümmerte sich Metaha nach Kräften sowohl um seine äußeren als auch um seine inneren Narben. Aber
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