Kryson 04 - Das verlorene Volk
ihm einen Angriff auf das Herz der Rachuren nicht zutraute.
»Lasst es Sapius versuchen. Wir brauchen Männer, die bereit sind, ein Risiko einzugehen. Er wird die Lage dadurch nicht verschlechtern«, hatte Madhrab den Fürsten vorgeschlagen. »Scheitert er, werden wir ihn nie wiedersehen, und niemand wird je erfahren, was mit ihm geschehen ist. Die Rachuren werden uns so oder so angreifen. Der Vorstoß eines Einzelnen wird sie nicht von ihren Plänen abbringen oder zu einer Änderung ihrer Taktik verleiten. Sie sind klug genug, dies nicht einmal in Erwägung zu ziehen. Hat Sapius allerdings Erfolg, können wir alle nur gewinnen, und seien es nur tiefere Erkenntnisse über die Vorgänge in den Brutstätten.«
Madhrabs Worte und die anschließende Beratung hatten die Zweifler überzeugt. Sie hätten Sapius ohnehin nicht davon abhalten können. Sein Entschluss, nach Krawahta zu gehen, hatte schon zuvor festgestanden. Aber es bedeutete ihm etwas, dass sie davon wussten und seinen Plan guthießen. Immerhin brächte er sein Leben nicht alleine aus eigennützigen Motiven in Gefahr, sondern zog für die Nno-bei-Klan in das Herz desFeindes. Sollte er einen Heldentod sterben müssen, dann wäre es nur recht und billig, wenn sie ihn als solchen Helden sahen und dafür ehrten. Ein Denkmal brauchten sie ihm allerdings nicht setzen. Das erwartete er nicht und hätte ihm auch nicht gefallen.
Sapius bedauerte, dass weder Nihara noch Renlasol an den Beratungen teilgenommen hatten. Zu gerne hätte er sich vor seiner Abreise mit der betörenden Schönheit unter vier Augen unterhalten. Sie erinnerte ihn schmerzlich an Elischa. Immer wieder fragte er sich, wie es seiner heimlichen Liebe nach ihrem Verschwinden aus dem Eispalast wohl ergangen war.
Aber Nihara war gemeinsam mit Renlasol zur Trutzburg Fallwas aufgebrochen, um die Burg auf einen möglichen Angriff vorzubereiten. Sapius fand den Aufbruch überstürzt. Er hatte erwartet, dass sie als Fürsten der traditionellen Einsetzung des neuen Regenten beiwohnten und Madhrab die gebührende Ehre erwiesen. Renlasol hatte sich jedoch nicht einmal verabschiedet und nur einen Boten in den Palast entsandt. Über diesen ließ er ausrichten, dass er nicht nur als Fürst, sondern auch als General Pflichten besaß. Die Truppen vor Fallwas und deren schwindende Moral erforderten dringend seine Anwesenheit. Das konnte ihm niemand übel nehmen. Dennoch wurde hinter vorgehaltener Hand getuschelt, der Fürst wollte nur nicht auf Madhrabs Amtsantritt warten, um dann dessen Befehle entgegenzunehmen und womöglich in diesem Zuge von den Generalspflichten entbunden zu werden. So konnte er behaupten, keine Befehle erhalten und nicht gegen die Anweisungen des Regenten verstoßen zu haben. Das Verhalten wurde weder als klug angesehen noch würde es Renlasol auf Dauer schützen, konnte aber je nach Vorankommen des Feindes zeitlich ausreichen, ihn die entscheidenden Befehle an seine Truppen selbst ausgeben zu lassen.
Sapius hegte einen anderen Verdacht. Renlasol hatte auf ihneinen betrübten Eindruck gemacht. Sollte er etwa an dem Anschlag auf Jafdabh und Madhrab beteiligt gewesen sein?
»Das kann ich nicht glauben«, sagte Sapius bei sich. »Nein, ich weigere mich, ihn einer solch schändlichen Tat zu verdächtigen. Er liebt Madhrab.«
Der Magier schüttelte den Gedanken ab. Der Fürst hatte so viel erreicht. Mehr, als ihm Sapius jemals zugetraut hatte. Aber er kannte auch die Geschichte, die hinter alldem steckte; nach Quadalkars Tod war sie in den Klanlanden über Sonnenwenden hinweg weitererzählt worden. Beinahe jedem Kind wurde geschildert, was mit Renlasol geschehen war und wie er schließlich durch Madhrabs Kampf von dem Fluch befreit worden war. Noch heute plagte den Magier das schlechte Gewissen, Renlasol und dessen Gefährten erst in diese Lage gebracht zu haben. Der ehemalige Knappe trug zweifelsohne das dunkle Mal, das seine Seele befleckte. Sapius besaß bei anderen Wesen ein feines Gespür für Flüche und deren Berührung mit der Dunkelheit. Außerdem hatte Renlasol von Quadalkars Blut gekostet, was ihn zu einem Königskind hatte werden lassen. Dies hatte den Jungen damals mehr verändert als alles andere. Sapius hatte sofort bemerkt – auch wenn der Fluch schließlich aufgehoben worden war –, dass Renlasol noch immer das Blut der Altvorderen in sich trug, das sich mit seinem eigenen unzertrennlich vermischt hatte und so etwas Neues geschaffen hatte.
»Was kümmert Renlasol mich
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