Kuckucksmädchen
könnte sein, dass unter all den Nicht-wirklich-Richtigen Jonathan noch der am wenigsten Falsche ist.«
Max reagiert gewohnt männlich-pragmatisch:
»Na, dann greif doch zu.«
»Aber vielleicht ist auch alles ganz anders, und Jonathan ist tatsächlich der Falsche. Und dann wars mein Fehler.«
Er wirft den Kopf in den Nacken: »Bla, bla, bla. Du glaubst gar nicht, wie mir dieses Yuppiemädchengequatsche auf den Geist geht. Ãberall muss ich mir diese ScheiÃe anhören. Sich immer schön alles offen halten wollen. Alle Entscheidungen endlos vor sich herschieben. Bloà keine Fehler machen. Und am Ende dann doch nicht sicher sein. Aber im nächsten Zug beneidet man mich um meine tolle kleine Familie.«
»Na ja, so klein â¦Â«
»Du bist dreiÃig und hast es noch immer nicht geschafft, erwachsen zu werden, Wanda. Mach ein Kind. Dann lösen sich deine Probleme ganz schnell in Luft auf.«
»Ich will aber kein Kind kriegen, damit es meine Probleme löst.«
»Aber du willst doch auch nicht eine von diesen verzweifelten Vierzigjährigen werden, die in der letzten Sekunde noch einen einigermaÃen akzeptablen Samenspender suchen? Wie lange willst du den Spaà denn noch rauszögern? Irgendwann ist eben Schluss mit lustig.«
Vielleicht ist das so. Vielleicht ist es nicht Max, der plötzlich in einer fremden Welt lebt. Sondern ich. Weil ich die Letzte in einer alten Welt bin, die die anderen schon lange für Neues verlassen haben. Komisch nur, dass Max noch immer SMS-Kontakt zwischen den beiden Welten hält.
Er legt den Arm um mich, und seine Stimme wird ein bisschen versöhnlicher: »Hast du nicht langsam genug auf Partys herumgetanzt? Hast du nicht langsam alle Gläser leer getrunken?«
Ich stelle mich auf die Zehenspitzen und drehe mein Gesicht zu Max.
»Ich bin aber noch durstig«, maule ich und will ihm vor lauter plötzlicher Vertrautheit in die Schulter beiÃen, so wie ich es früher getan habe. Aber Max nimmt schnell seinen Arm weg und tritt einen Schritt zur Seite, sodass ich ins Leere schnappe. DrauÃen im Sandkasten fängt Lasse oder Bosse an zu schreien.
Ich setze mich zurück an den Tisch, mit dem Rücken zu Max, starre das babyrosa funkelnde Kitchenaid im Küchenregal an und sage nichts.
Zum Abendessen spielen wir noch ein bisschen heile Welt. Anouk kocht für uns alle Spaghetti; auch das gehört zu ihrer perfekten Bullerbü-Inszenierung: Ein groÃer Topf Nudeln mit SoÃe, um den herum wir alle mit erhitzten Gesichtern sitzen. Für die Erwachsenen gibt es Rotwein, die Kleinen trinken Bionade. Noch ein Tropfen Kinderlachen, und das Wohnzimmer quillt über vor Klischees. Aber Anouk spielt diese Welt nicht, für sie ist sie real.
Ich muss wieder an Maxâ SMS denken; noch immer habe ich mich nicht getraut, ihn darauf anzusprechen. Aber irgendwann fängt Anouk an, die Kinder ins Bett zu bringen, und das ist der Moment, in dem ich mir Max und eine weitere Flasche Rotwein schnappe, wir uns auf die Couch fläzen und ich mich endlich trauen muss.
»Und, was macht der Job?«, fragt Max und öffnet mit der linken Hand die obersten Knöpfe seines Hemdes, während er in der rechten das Weinglas hält.
Solche erwachsenen Gesten bringen mich immer wieder zum Staunen. Um mithalten zu können, nehme ich einen groÃen Schluck vom Rotwein und antworte abgeklärt: »Hat sich nicht viel geändert. Ich wühle immer noch im Leben von toten Menschen herum â¦Â«
Max lacht leise. »Arme Wanda. Bezahlt man dich mittlerweile wenigstens besser für diese seltsame Arbeit?«
»Dafür, dass ich kein abgeschlossenes Studium habe, kann ich mittlerweile ganz gut davon leben ⦠Und bei dir?«
Er zeigt lässig in Richtung des groÃen Holztisches, auf dem sich leer gegessene Teller und ausgetrunkene Gläser zwischen den langsam abbrennenden Kerzen stapeln. »Diese ganze Familiensache ist echt ein teurer SpaÃ. Aber es läuft ganz gut gerade.«
Ich nicke. Im Gegensatz zu mir hat Max das Studium verdammt ehrgeizig durchgezogen und sich dann den passenden Traumjob dazu im Architekturstudio rausgelassen. »Also alles perfekt bei dir.«
Er fährt sich mit einer schnellen Geste durchs blonde Schwedenhaar.
»Na ja, ich  â¦Â«
»Aber warum dann die SMS?«
Maxâ Augen wandern zur offenen Tür. Seine Stimme wird
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