Kühle Rache - heißes Herz
gefühlt. Du hattest doch Träume, Macon. Du wolltest dein eigenes Unternehmen gründen.” Hester kämpfte gegen ihr schlechtes Gewissen an. Und wenn sie sich geirrt hatte? Hätte er sie vielleicht gern geheiratet?
Als er nichts erwiderte, war sie davon überzeugt, dass ihre Mutter recht gehabt hatte. Außerdem hatte Hester ihn damals mit eigenen Augen mit Lois Potts zusammen gesehen. Selbst, wenn sie ihn damals geheiratet hätte, hätte sie immer an seiner Treue gezweifelt. Dann hätte sie sich zu einer dieser misstrauischen Ehefrauen entwickelt, die jeden Schritt ihrer Männer überwachen wollen. Bei jeder Verspätung von ihm hätte sie hinter der Gardine gestanden und gerätselt, was er gerade trieb und wieso er nicht kam.
Seine Stimme klang seltsam gelassen. “Wieso hast du diese Briefe geschrieben?”
Weil ich es nicht ertragen kann, dass du eine andere heiratest, dachte sie. Aber diesen Gedanken verdrängte sie schnell. Als sie antworten wollte, bemerkte sie, dass Cordy oben an der Treppe stand. “Liebling?”, fragte sie flüsternd.
“Alles in Ordnung, Mom.”
Er sah so groß aus, so erwachsen, und er ähnelte Macon so sehr mit diesem entschlossenen Kinn und dem Lächeln auf den Lippen. Er lehnte sich zur Seite und hob sich eine gepackte Reisetasche auf die Schulter.
Erschrocken sah Hester ihm in die Augen. “Wo willst du hin?”
“Ich will bei meinem Vater leben.”
Wahrscheinlich hatte Hester insgeheim damit gerechnet, dass so etwas irgendwann passierte. In Pine Hills blieb nichts für immer geheim. Nachts allein im Bett hatte sie diesen Moment oft durchlebt. Sie wollte keine Frau sein, die sich in alles einmischte und jeden kontrollierte. Aber es tat ihr in der Seele weh, ihren Sohn mit Macon fortgehen zu sehen. “In Ordnung”, zwang sie sich zu sagen, als Cordy die Treppe hinunterkam. “Aber vorher müssen wir darüber reden.”
“Mom.” Cordy sah sie an.
Wie oft hatte sie in diese blauen Augen gesehen, die ihren eigenen so sehr ähnelten? Aber jetzt wirkte Cordy ganz weit weg, fast wie ein Fremder.
“Lass mir wenigstens ein Mal meinen Willen. Dad hat mir alles erklärt, und ich bin dir nicht böse. Dad war mit deiner Entscheidung damals einverstanden, jedenfalls zu Anfang. Und ich hatte genug Zeit, um über alles nachzudenken. Aber jetzt will ich …”
Deinen leiblichen Vater kennenlernen, vollendete Hester seinen Satz in Gedanken. Wenigstens hatte er nicht einmal genug Sachen für eine Woche mitgenommen. Trotzdem konnte sie kaum atmen. “Also schön.” Was sollte sie sonst sagen?
Cordy sah zu Macon. “Ich warte dann im Wagen.”
Verblüfft sah Macon ihm nach. “Hester”, sagte er, als Cordy draußen war. “Ich habe nicht einmal ein Zimmer für ihn vorbereitet.”
Wenn sie nicht gerade so unglücklich gewesen wäre, hätte sie darüber lachen können. Doch sie hing viel zu sehr an Cordy. “Er will dich kennenlernen. Und diese Chance darfst du ihm nicht verwehren.”
Macon sah sie an. Es gab sicher noch vieles zu sagen, aber er beschränkte sich auf: “Lass uns eines klarstellen, Hester. Ich will mich nicht zwischen euch drängen. Ich freue mich, Cordy bei mir zu haben, aber …” Entnervt stieß er die Luft aus. “Im Moment bereiten sich gerade fünf Frauen darauf vor, hierher in die Stadt zu kommen.”
Noch vor zehn Minuten hätte Hester gedacht, sie könnte nichts aus der Ruhe bringen. “Wie bitte? Fünf Frauen?”
“Du hast nicht an alle geschrieben. Es gab noch ein paar Antworten auf meine Anzeige. Und gestern Nacht habe ich fünf Frauen eingeladen, ein paar Tage etwas Zeit auf der Ranch zu verbringen.”
Gestern Nacht? Nachdem sie Sex miteinander hatten? Hester war zutiefst gekränkt. “Was sind denn das für Frauen?”, fragte sie fassungslos.
“Ach, ganz normale”, erwiderte er unwillig.
Sie war viel zu überrascht, um zu überlegen, was sie sagte. “Nach dem, was hier passiert ist?”
Genau deswegen, schien ihr sein Blick zu antworten. “Sieh mal, Hester. Cam ist krank und will mir die Ranch nur überschreiben, wenn ich heirate. Er hatte einen Schlaganfall und kann einen Arm kaum noch bewegen. Trotzdem treibt er die Rinderherden. Und den nächsten Schlaganfall überlebt er vielleicht nicht.”
“Das tut mir leid.”
“Ich brauche kein Mitleid.”
Hester wusste, dass Macon alles tun würde, damit Cam seine Gesundheit nicht weiter riskierte. “Ich hätte es mir denken können.” Trotz ihres Schocks brachte sie es fertig, zu sprechen. “Seit
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