Kühle Rache - heißes Herz
Erinnerung daran, wie er ihr mit Bruce und Cordy in der Stadt begegnet war, wurde Macon wütend. Kannte sie überhaupt keine Schuldgefühle?
Heute trug sie die dunkelblaue Hose und weiße Bluse ihrer Dienstuniform. Das rot, weiß und blau gestreifte Halstuch, das sie immer tragen sollte, hing ihr locker um den Kragen. Einen Augenblick lang fühlte Macon sich versucht, sie mit diesem Halstuch zu erwürgen. Sobald sie ihn, erstarrte sie wie ein Reh im Scheinwerferlicht eines Autos.
Macon erkannte genau den Moment, als ihr klar wurde, dass sie an ihm vorbei musste, um zur Arbeit zu kommen. Entschlossen straffte sie die Schultern und ging weiter. Als sie in Hörweite war, rief er: “Na, ist das nicht der Inbegriff von Unschuld? Man sollte ein Foto machen.”
Hester blieb vor ihm stehen. “Wenn du über Fotos reden willst, dann sollten wir mit dem dämlichen Bild anfangen, das du an das
Texas Men Magazine
geschickt hast.”
Wegen der Sonnenbrille konnte er ihre Augen nicht sehen, aber er hätte schwören können, dass sie ihm auf die nackte Brust blickte. Er seufzte. “Dein Eis”, stellte er warnend fest.
Hester sah auf ihr Eis und leckte hastig die rosafarbenen Tropfen weg, die an der Waffel herunterliefen. “Bist du aus einem bestimmten Grund hierhergekommen? Ist etwas mit Cordy? Geht es ihm gut?”
“Bestens, Hester. Und du weißt genau, wieso ich hier bin.”
Sie wandte den Blick ab und wirkte mit einem Mal so allein und verletzlich, dass Macon einen dumpfen Schmerz in der Brust fühlte. Hester war in der Stadt sehr geachtet. Sie brachte Kranken heiße Suppe und besuchte sie im Krankenhaus in Opossum Creek, und sogar wenn sie in der Post Gerüchte verbreitete wie früher im Waschcenter, so ließ sie sich in erster Linie von ihrer Liebe für die Mitmenschen leiten.
Seufzend zog er das Flugblatt aus der Tasche, faltete es auseinander und hielt es sich vor die nackte Brust. “Es sieht so aus, als hättest du in letzter Zeit deine Liebe fürs Schreiben entdeckt.”
“Gefällt dir das Flugblatt nicht?”
“Verdammt noch mal, Hester!”, regte er sich auf. “Diese Zettel sind überall.”
“Nicht ganz”, versicherte sie ihm, und ihr wissendes Lächeln beunruhigte ihn noch mehr. “Einen Stapel muss ich noch zum
Big Grisly's Grill
bringen. Allerdings habe ich es noch geschafft, dass sie als Beilage zusammen mit der Sonntagszeitung ausgeteilt werden.”
“Hester!”, sagte er warnend.
Wieder lächelte sie unschuldig. “Ist das dein Dank, Macon? Du bist in dieser Kirche getauft worden, und nächste Woche heiratest du dort. Da ist es doch sehr wünschenswert, dass die Gemeinde an deinem Glück teilhaben kann.”
Er seufzte. “Ich muss zugeben, dass ich neugierig war, wie du dich an meiner Brautschau beteiligen willst, aber das hier …” Er konnte nicht in Worte fassen, was in ihm vorging. “Kannst du nicht wenigstens ein bisschen schlechtes Gewissen zeigen?”
Sie errötete, aber sofort fuhr sie fort. Es war Macon unbegreiflich, wieso sie das alles tat. “Du willst doch aus Sorge um deinen Vater so schnell wie möglich heiraten, oder nicht?”
“Ich hätte gedacht, dass gerade du Verständnis dafür hast, wenn man private Dinge für sich behält.” Er musste es einfach aussprechen. “Immerhin hast du deine Geheimnisse sechzehn Jahre lang für dich behalten.”
Darauf ging sie gar nicht ein, doch ihr leicht schriller Tonfall verriet Macon, dass sie nicht so gelassen war, wie sie sich gab. “Deine Hochzeit ist doch eine Sache der Vernunft und nicht der Gefühle. Was ist denn da so Privates dran?”
“Zumindest hätte ich nicht jeden in Pine Hills mit einbezogen.” Lange sah er Hester an, dann versetzte er ihr einen weiteren Stich. “Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte ich auf den Gedanken kommen, dass du eifersüchtig bist und mich lächerlich machen willst.”
“Na, das ist aber wirklich etwas zu dramatisch.”
Das glaubte Macon nicht. Vor vier Tagen hatten sie sich so leidenschaftlich geliebt – sie musste einfach etwas für ihn empfinden. Doch obwohl sie einen gemeinsamen Sohn hatten, wollte sie nichts als Sex von ihm. Mühsam riss er den Blick von ihrer Zunge los, mit der sie immer wieder über das schmelzende Eis fuhr. Er tat auch so, als würde er nicht bemerken, wie sie näher trat, als wolle sie den Schatten des Autos ausnutzen.
“Es ist unerträglich heiß”, bemerkte sie.
Und in ihrer Nähe wurde die Hitze immer noch etwas unerträglicher. “Da hast du
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