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Künstler der Schaufel: Erzählungen aus Kolyma 3 (German Edition)

Künstler der Schaufel: Erzählungen aus Kolyma 3 (German Edition)

Titel: Künstler der Schaufel: Erzählungen aus Kolyma 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Warlam Schalamow
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ihren Kameraden den Stiel der Hacke, den Schaufelstiel zu Hilfe nahmen. Und rückblickend wiederholten sie gebetsmühlenartig den düsteren Lagerspruch: »Stirb du heute, ich – morgen.« Längst nicht immer waren Krists Brigadiere Häftlinge mit Artikel 58. Meist – und in den schrecklichsten Jahren immer – waren Krists Brigadiere
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, die wegen Mord oder Dienstvergehen verurteilt waren. Es waren normale Leute, nur die Wirkung der Macht und der starke Druck von oben – der Schwall von tödlichen Instruktionen – diktierte diesen Menschen Schritte, zu denen sie vielleicht in ihrem früheren Leben nicht bereit gewesen wären. Die Grenze zwischen Vergehen und »straffreien Handlungen« in den »Dienst«artikeln – und auch in den meisten gemeinen – war sehr fein, manchmal nicht zu greifen. Oft wurde heute für etwas verurteilt, wofür gestern nicht verurteilt wurde, ganz zu schweigen von den »Unterbindungsmaßnahmen« – dieser ganzen juristischen Nuancenpalette vom Verstoß bis zum Verbrechen.
    Die Brigadiere aus der Gruppe der
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waren Bestien auf Befehl. Bestien keineswegs nur auf Befehl dagegen waren die Brigadiere aus der Gruppe der Ganoven. Ein Ganove als Brigadier, das ist das Schlimmste, was einer Brigade passieren kann. Aber Kostotschkin war weder Ganove noch
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. Kostotschkin war der einzige Sohn eines hohen Partei- oder Sowjetfunktionärs der Chinesischen Osteisenbahn, der in der »Osteisenbahn-Affäre« belangt und umgebracht wurde. Der einzige Sohn Kostotschkins, der in Charbin studiert und außer Charbin nichts gesehen hatte, wurde mit seinen fünfundzwanzig Jahren als »fm«, als »Familienmitglied«, als
liternik
verurteilt, zu … fünfzehn Jahren. Vom ausländischen Leben Charbins erzogen, wo man von unschuldig Verurteilten nur in Romanen las – vor allem in übersetzten Romanen –, bezweifelte der junge Kostotschkin in der Tiefe seines Hirns, dass sein Vater unschuldig verurteilt war. Der Vater hatte ihm den Glauben an die Unfehlbarkeit des NKWD anerzogen. Auf eine andere Sicht war der junge Kostotschkin ganz und gar nicht eingestellt. Und als der Vater verhaftet wurde, als Kostotschkin selbst verurteilt und vom Äußersten Fernen Osten in den Äußersten Hohen Norden geschickt wurde – verübelte Kostotschkin das vor allem seinem Vater, der ihm mit seinem mysteriösen Verbrechen das Leben verdorben hatte. Was weiß er, Kostotschkin, vom Leben der Erwachsenen? Er, der vier Sprachen gelernt hat – zwei europäische und zwei orientalische –, der beste Tänzer Charbins, der bei zugereisten Meistern dieser Dinge alle möglichen Blues’ und Rumbas gelernt hat, der beste Boxer Charbins – Mittelgewicht an der Schwelle zum Halbschwergewicht –, der Uppercut und Hook bei einem ehemaligen Europameister gelernt hat – was weiß er von all dieser großen Politik? Wenn sie ihn erschossen haben, bedeutet das, da war etwas. Vielleicht haben sie sich im NKWD ereifert, vielleicht hätten sie ihm zehn, fünfzehn Jahre geben sollen. Und ihm selbst, dem jungen Kostotschkin, hätten sie – wenn es schon sein musste – fünf statt fünfzehn geben sollen.
    Vier Worte wiederholte Kostotschkin ständig, in wechselnder Abfolge, und jedes Mal klang es schlimm, beunruhigend: »Also war da etwas. Also war etwas da.«
    Die Mitarbeiter der Untersuchung hatten in Kostotschkin den Hass auf den erschossenen Vater und den leidenschaftlichen Wunsch geweckt, sich von diesem Brandmal, von diesem väterlichen Fluch zu befreien – und damit einen wichtigen Erfolg erzielt. Aber ihr Untersuchungsführer wusste nichts davon. Der Untersuchungsführer, den man mit Kostotschkins Verfahren betraut hatte, war in einer der vielen »NKWD-Affären« selbst schon längst erschossen worden.
    Nicht nur Foxtrotts und Rumbas hatte der junge Kostotschkin in Charbin gelernt. Er hatte am Charbiner Polytechnischen Institut studiert und sein Diplom als Maschineningenieur gemacht.
    Als man Kostotschkin ins Bergwerk gebracht hatte, an seinen Bestimmungsort, erwirkte er ein Treffen mit dem Bergwerkschef und bat ihn um Arbeit in seinem Beruf; er versprach dabei, ehrlich zu arbeiten, er verfluchte seinen Vater und beschwor die örtlichen Chefs. »Er wird Etiketten für Konservengläser schreiben«, sagte trocken der Bergwerkschef, aber der bei diesem Gespräch anwesende örtliche Bevollmächtigte fing einen bekannten Beiklang auf im Ton des jungen Ingenieurs. Die Chefs besprachen sich, dann sprach der Bevollmächtigte mit

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