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Künstler der Schaufel: Erzählungen aus Kolyma 3 (German Edition)

Künstler der Schaufel: Erzählungen aus Kolyma 3 (German Edition)

Titel: Künstler der Schaufel: Erzählungen aus Kolyma 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Warlam Schalamow
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Häftling fluchend über. Jetzt wird er in der Nacht, sich um den letzten Schlaf bringend, Weste und Hosen am Ofen in der Baracke trocknen.
    Kein Wunder, wenn niemand den Badetag mag.
    1955

Der Diamantenquell
    Der Lastwagen blieb an der Furt stehen, und die Leute schwangen die steifen Beine ungeschickt und langsam über die Seitenwand des »Studebaker« und stiegen aus. Das linke Flussufer war niedrig, das rechte felsig, wie es nach der Theorie des Akademiemitglieds Baer auch sein muss. Wir liefen von der Straße direkt auf den Grund des Bergflusses und weiter etwa zweihundert Schritt über die ausgewaschenen trockenen Steine, die unter unseren Füßen knirschten. Der dunkle Wasserstreifen, der vom Ufer aus so schmal aussah, erwies sich als breiter und schneller seichter Bergfluss. Uns erwartete ein flaches Boot, und der Fährmann beförderte das Boot, beladen mit drei Passagieren, mit einem Stab anstelle von Rudern auf die andere Seite und fuhr allein zurück. Am anderen Ufer kletterten wir lange einen schmalen steinigen Pfad hinauf, einander stützend wie Bergsteiger. Der schmale Pfad, kaum auszumachen im gelben und trokkenen Gras, führte in eine Klamm, in deren blauer Ferne die Berggipfel von rechts und links zusammentrafen, und der Bach in dieser Klamm hieß – Diamantenquell.
    Das war eine wunderbare Außenstelle, eben jener Diamantenquell, an den wir uns von den Goldminen aus so lange und vergeblich gewünscht und von dem wir so viel Unwahrscheinliches gehört hatten. Es hieß, dass es an diesem Quell keine Begleitposten gebe, weder Kontrollen noch die endlosen Appelle, keinen Stacheldraht, keine Hunde.
    Wir waren das Schnappen der Gewehrverschlüsse gewohnt, kannten die Warnungen des Begleitpostens auswendig: »Ein Schritt nach links, ein Schritt nach rechts – gilt für mich als Flucht – im Gleichschritt Marsch!«, und wir liefen, und irgendein Witzbold – die gibt es immer, selbst in der schlimmsten Situation, denn Ironie ist die Waffe der Wehrlosen –, irgendein Witzbild brachte den uralten Lagerwitz, »ein Sprung in die Höhe gilt als Agitation«. Geflüstert wurde dieser böse Witz unhörbar für den Begleitposten. Er munterte auf, sorgte für eine sekundenlange, winzige Erleichterung. Die Warnung hörten wir viermal am Tag: am Morgen, auf dem Weg zur Arbeit, tagsüber, auf dem Weg zum Mittagessen und vom Mittagessen, und am Abend – als Abschied vor der Rückkehr in die Baracke. Und jedes Mal nach dieser bekannten Formel flüsterte jemand die Bemerkung über den Sprung, und niemand war es leid, niemanden reizte es. Im Gegenteil – diesen Witz hätten wir tausend Mal hören können.
    Und jetzt – hatten die Träume sich erfüllt, wir waren am Diamantenquell, und kein Begleitposten dabei, und nur ein schwarzbärtiger junger Mann, der sich den Bart sichtlich der größeren Solidität halber hatte wachsen lassen, bewaffnet mit einer Ishewka , überwachte unsere Überfahrt. Man hatte uns erklärt, dass das der Vorarbeiter des Waldabschnitts sei, ein freier Vorarbeiter.
    Am Diamantquell wurden Pfähle für die Hochspannungsleitung bereitgestellt.
    Es gibt wenige Stellen an der Kolyma, wo hohe Bäume wachsen – wir werden selektiven Holzeinschlag betreiben, das Lohnendste für unsereinen.
    Das Goldbergwerk ist eine Arbeit, die den Menschen umbringt, und zwar schnell. Dort ist die Brotration größer, aber im Lager tötet ja die große Ration, nicht die kleine. Von der Richtigkeit dieses Lagersprichworts konnten wir uns längst überzeugen. Einen Hauer, der zum
dochodjaga
geworden ist, kann man mit keiner Schokolade auffüttern.
    Der selektive Holzeinschlag ist lohnender als der durchgängige Einschlag, denn der Wald ist licht und niedrig, es gibt keine Riesen unter diesen im Sumpf gewachsenen Bäumen, und die Rückung, der Abtransport des Holzes zu den Stapeln auf den eigenen Schultern durch den mürben Schnee, ist quälend. Aber Zwölfmeterpfähle für die Stromleitung kann man ja auch nicht mit Menschen rücken. Das wird ein Pferd oder Traktor tun. Also lässt es sich leben. Außerdem ist das eine Außenstelle ohne Begleitposten – das heißt kein Karzer, keine Schläge, der Abschnittsleiter ist ein Freier, ein Ingenieur oder Techniker – wir haben zweifellos Glück.
    Wir übernachteten am Ufer, und am Morgen nahmen wir den Pfad zu unserer Baracke. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, als wir zu einem niedrigen, langen Tajga-Blockhaus mit einem moosbedeckten und mit Steinen besetzten Dach

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