Küsse auf Eis - True Love and other Disasters
Vancouver ging es im Gedränge in der Kabine der Chinooks unbeschwerter zu als nach ihrem letzten Spiel in der Key Arena. Die Trainer ließen die Reporter nach ein paar Minuten herein, und die Spieler lachten und scherzten mit ihnen, während sie sich nach dem Duschen abtrockneten.
»In den Play-offs steht es für Sie unentschieden. Was wollen
Sie unternehmen, um in die nächste Runde vorzurücken?«, fragte Jim Davidson, der Reporter von der Seattle Times , Ty.
»Wir werden tun, was wir heute Abend getan haben«, antwortete er seelenruhig, während er den Reißverschluss seiner Anzughose zuzog. »Nach unserer letzten Niederlage gegen die Canucks konnten wir es uns nicht leisten, vor eigenem Publikum Punkte zu verlieren.«
»Da Sie Kapitän bei den Canucks waren und es jetzt beim Seattler Team sind, worin besteht Ihrer Meinung nach der größte Unterschied?«
»Die Trainingsphilosophie beider Clubs ist sehr unterschiedlich. Die Chinooks geben mir mehr Freiheit, Eishockey so zu spielen, wie ich es möchte«, antwortete er und fragte sich, wann sie endlich geruhten, ihn nach seinem Hattrick zu fragen.
»Inwiefern?«
Über den Kopf des Reporters hinweg warf er Sam einen Blick zu, der gerade von einem Journalisten einer kanadischen Nachrichtenagentur in die Zange genommen wurde, und grinste schadenfroh. »Coach Nystrom ist ein Querdenker.«
»Die Mannschaft hat schon zwanzig Strafminuten angehäuft. Erst letzte Woche hat Nystrom den Wunsch geäußert, die Strafminuten pro Spiel auf ein Minimum zu beschränken. Halten Sie zwanzig da nicht für zu viel?«
Ty schlüpfte in sein Hemd und knöpfte es zu. »Überhaupt nicht. Immerhin haben wir Vancouver davon abgehalten, sich die Powerplays zunutze zu machen. Deshalb würde ich sagen, wir haben heute Abend unsere Aufgabe erledigt.«
»Sie haben Ihren ersten Hattrick der Saison in Ihrem Heimstadion erzielt. Wie fühlen Sie sich?«
Endlich! »Wirklich gut. Die ganze Mannschaft verdient für den heutigen Sieg große Anerkennung. Ich war nur zufällig an der richtigen Stelle, als Daniel den Puck zu mir gepasst hat. Montys erstes Assist, seit er hier bei uns -«
»Mrs Duffy ist in der Lounge« rief jemand vom Post Intelli- gencer , und Jim wandte sich zu dem Unruheherd am Eingang. »Danke, Savage«, murmelte der Reporter und beteiligte sich an der panikartigen Flucht nach draußen.
Ty knöpfte sein blaues Oberhemd fertig zu und stopfte es in seine graue Wollhose. Er sah die Jungs, die genauso fassungslos wirkten wie er, der Reihe nach an. Das war das zweite Spiel der Play-offs. Sie hatten in ihrem eigenen Stadion gewonnen, und der Trainer hatte der Presse freien Zugang gewährt. Reporter liebten freien Zugang. Sie liebten es, wie Kinder Kuchen liebten, doch das plötzliche Auftauchen von Faith Duffy löste einen Massenexodus aus. Wie Ratten, die von einem sinkenden Schiff flüchteten. Was sollte das?
Ty zog seine Socken an und schlüpfte in seine Schuhe. Er fuhr sich mit den Fingern durchs feuchte Haar und begab sich neugierig in die Mannschaftslounge. Mrs Duffy stand mitten auf dem riesigen Chinooks-Logo, das in den blauen Teppich gewoben war, lächelte in die Kameras und beantwortete die Fragen, mit denen ein Grüppchen Sportreporter sie bombardierte. In der ausschließlich von Männern geprägten Umgebung wirkte sie fast zerbrechlich. Ihr glattes Haar glänzte in dem gleißenden Licht und den Blitzlichtern, ihre Haut strahlte, und ihre Lippen schimmerten rosa. Sie trug ein schwarzes Kostüm, dessen Rock sich eng an ihre Hüften schmiegte, mit einer Jacke, die unter ihren Brüsten zugeknöpft war. Die Jungs und er hatten sich heute Abend den Arsch aufgerissen, aber anscheinend brauchte sie nur frisch wie der Morgen hereinzuschneien
und die Kerle von der Presse drehten völlig durch.
»Was hat Sie dazu bewogen, die Mannschaft nicht zu verkaufen?«, fragte jemand.
»Mein verstorbener Mann wusste, wie sehr ich Eishockey liebe. Er hat mir die Mannschaft hinterlassen, weil er mich glücklich machen wollte. Da ist es nur recht und billig, dass ich sie behalte.«
Was für eine gequirlte Scheiße! Ty lief weiter in den Raum hinein und lehnte sich mit der Schulter an die Tür, die zur Trainingshalle führte.
»Wie sehen Ihre Pläne für die Mannschaft aus?«
Ein Lächeln umspielte ihre Mundwinkel, und er sollte verdammt sein, wenn es nicht unschuldig und verführerisch zugleich war. Sie musste eine verdammt gute Stripperin gewesen sein. »Den Stanley Cup zu gewinnen.
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