Kuesse - heiß wie die Sonne Siziliens
Auf Wiedersehen. Niemals würde es so sein wie vorher. Er ging, ohne ihr einen Abschiedskuss zu geben. Während sie sich verliebt hatte, hatte er in ihr nur eine Nachbarin gesehen, die seine Hilfe brauchte. Die Wahrheit traf sie wie ein schweres Eichenfass. Wieder einmal hatte sie sich zum Narren gemacht.
Als alle Gäste gegangen waren und die Sonne sich anschickte, hinter den Hügeln zu versinken, kehrte Ruhe ein auf der Azienda. Isabel fühlte sich auf einmal so schwach und müde, als wäre sie einen Marathon gelaufen und hätte nicht nur eine Party veranstaltet.
Zum ersten Mal seit Langem war sie allein. Sie war verwöhnt worden und hatte sich an den Luxus seiner Anwesenheit gewöhnt. Irgendwann stand sie auf und ging in ihr Haus, ihr kaltes, leeres, einsames Haus.
Während der nächsten Woche kümmerte sich Isabel um den Wein, sie renovierte und erledigte ihre Einkäufe. Doch ihr fehlte der Appetit, und jede Nacht lag sie wach. Das Leben auf der Azienda erschien ihr nicht mehr schön. Ohne Dario war es fad und uninteressant.
In der Woche darauf unterhielt sie sich mit keinem Menschen außer mit ihren Arbeitern, und diese Gespräche waren durch ihren beschränkten Wortschatz meist sehr begrenzt. Sie hätte gern gewusst, was Dario in Palermo machte, aber um das zu erfahren, hätte sie ihn auf seinem Handy anrufen müssen, und das wollte sie nicht. Sie hatte schließlich auch ihren Stolz. Immerhin hätte er sich ja auch einmal bei ihr melden können. Eines Nachmittags traf sie dann aber Lucia auf dem Marktplatz, die sie warmherzig begrüßte.
„Wie geht es Dario?“, fragte Isabel, nachdem sie ein wenig geplaudert hatten. Manchmal musste man eben auch seinen letzten Rest von Stolz vergessen.
„Er ist immer noch in Palermo. Die Verhandlungen gestalten sich schwierig. Keiner weiß, wie lange es dauern wird. Cosmo kümmert sich in der Zwischenzeit hier um die Geschäfte. Eine gute Gelegenheit für ihn, aus dem Schatten seines großen Bruders herauszutreten.“
Isabel fühlte sich regelrecht krank. Seine Familie hielt er auf dem Laufenden, sie hingegen hatte er nicht ein einziges Mal angerufen.
„Bist du okay?“, fragte Lucia. „Du siehst ein wenig blass aus.“
Isabel brachte ein schwaches Lächeln zustande. „Mir geht’s gut.“
Lucia schien zu erraten, dass Isabel litt. „Weißt du, ich hatte gehofft, dass Dario und du …“
„Wir sind nur Freunde, das ist alles.“
„Das ist schade“, erwiderte Lucia vorsichtig. „Du hast ihm gutgetan. Ich verstehe nicht, was passiert ist.“
Isabel verstand vollkommen. Er hatte denselben Fehler zweimal gemacht, nur mit dem Unterschied, dass er Magdalena geliebt hatte.
Sie musste sich zusammenreißen und aufhören, Tag und Nacht über ihn nachzudenken. Nun hieß es, Entscheidungen zu treffen, die gut waren für sie selbst und ihr Leben. Schwere Entscheidungen.
Dario war erschöpft. Seit er in Palermo angekommen war, hatte er nonstop gearbeitet. Die Zeit war wie im Flug vorbeigegangen, seit er von zu Hause weggefahren war. Zu Hause. Wo war das? Wenn er darüber nachdachte, fielen ihm als Erstes die Azienda und Isabel ein.
Er gab sich Mühe, nicht über Isabel nachzudenken, doch er konnte das Bild ihres Gesichts nicht abschütteln, ihre Miene, als er ihr sagte, dass er abreisen würde. Sie hatte versucht zu lächeln, doch ihre Lippen hatten gezittert. Er hatte fest angenommen, dass er keine Alternative hatte, als nach Palermo zu fahren. Er war davon ausgegangen, dass niemand außer ihm selbst die Situation bewältigen könnte, doch sein Schwager war bereits einen Abend vor ihm in der Stadt eingetroffen – voller Energie und frischer Ideen. Vielleicht täuschte er sich. Er hatte geglaubt, niemand könne die Ernte überwachen, aber Cosmo schlug sich sehr gut. Womöglich hatte seine Familie recht, und er war ein Kontrollfreak, der nicht loslassen konnte. Es war Zeit, nach Hause zu fahren. Und er wusste, wo das war. Die Azienda. Dort, wo Isabel war. Er brauchte sie. Ohne sie fühlte er sich nicht als ganzer Mensch, ohne sie würde er nie mehr glücklich sein.
Isabel fand die Antwort. Sie musste abreisen. Die Azienda war ihr Zuhause, ihre erste und einzige Heimat, doch die Vorstellung, hier ohne Dario zu leben, war unerträglich. Sie würde es wieder aushalten können, allein zu sein, aber nicht hier. Er hatte es unmöglich für sie gemacht zu bleiben.
Sie fuhr zu Darios Haus und schaute durch die Fenster. Sie erinnerte sich an den Abend, als er sie das
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