Küsse im Mondschein
sich auf der Chaiselongue zurückgelehnt hatte, ein Buch vergessen in ihrem Schoß liegend.
»Es gibt da zwar immer noch diesen Skandal - der natürlich aufgeklärt werden muss -, aber alles in allem muss ich Devil in seinem Urteil durchaus zustimmen.« Damit blieb Arthur vor dem Kamin stehen, nahm eine straffe Haltung an und schenkte seiner Tochter ein warmherziges Lächeln. »Das wird eine ganz vorzügliche Verbindung, und Dexter ist genau die Sorte von Gentleman, die wir gehofft hatten, in unserer Familie begrüßen zu dürfen.«
Amanda tauschte einen raschen Blick mit ihrer Mutter. Louise lächelte, dann nahm sie ihr Buch wieder auf. »Amanda hat vorgeschlagen, dass Honorias Abendessen mit dem darauffolgenden Ball morgen Abend die beste Gelegenheit wäre, die Haltung der Familie kundzutun. Denn unter den gegebenen Umständen wäre eine beiläufige, doch auffällige Demonstration unserer Einstellung Dexter gegenüber wohl eher angeraten als eine offizielle Verkündung. Ich teile also Amandas Meinung. Und das werden auch Honoria und Helena tun, da bin ich mir ganz sicher.«
»Nun denn, dann bin ich ja beruhigt, dass ich Dexters gesellschaftliche Rehabilitierung getrost in euren zarten Händen ruhen lassen kann.« Arthur bedachte sie beide mit einem kleinen Zwinkern. Dann aber schaute er seiner Tochter einen Moment lang noch einmal tief in die Augen. Und in seinem Blick lag nicht nur liebevolle Zuneigung, sondern - wie Amanda keineswegs entging - auch eine gewisse gewitzte Berechnung.
»Und nach alledem, was Devil und deine Cousins berichtet haben, wird sich der alte Skandal dann bestimmt schon sehr bald bloß als ein schreckliches Missverständnis herausstellen, und Dexter tritt vollkommen unbeschadet wieder aus der ganzen Sache hervor. Da bin ich mir sicher. Immerhin sind seit dem Tag, als er England verlassen hatte, viele Jahre vergangen... und einen solchen Charakterfehler könnte man nicht die ganze Zeit über versteckt halten. Besonders nicht unter solch strapaziösen Umständen, wie Dexter sie bewältigen musste. Außerdem scheint er mit der Klärung der Angelegenheit bereits recht gut voranzukommen - zumindest nach dem, was ihr beide mir erzählt habt.«
Arthur hielt einen Moment lang inne. Amanda fühlte, wie er sie mit seinem Blick aus blauen Augen geradezu gefangen hielt. »Was dann im Übrigen natürlich die Frage nach dem wahren Übeltäter nach sich zieht, der, nach dem Zustand des Schädels von unserem armen Reggie zu urteilen, wohl immer noch recht gefährlich ist. Solange du also in Dexters Gesellschaft bist, mache ich mir keine Sorgen um dein Wohlergehen. Aber du würdest mir eine große Freude machen, wenn du mir versprächst, dass du für die Zeit, in der du noch unter meiner Obhut stehst, und Dexter gerade kein Auge auf dich haben kann, alle gebotene Vorsicht walten lässt.«
Es war eine leichte Veränderung in der Stimme von Amandas Vater zu bemerken; sicherlich spielte er sich nun nicht als irgendeine Art von Autorität auf, und doch hatte er diesen bestimmten Tonfall angeschlagen, der Amanda verriet, dass es nun wohl besser war, ihm nicht zu widersprechen. »Das werde ich - du hast mein Wort darauf.« Damit schaute sie rasch einmal zu Louise hinüber, die mit leicht hochgezogener Braue eindringlich ihren Angetrauten musterte.
»Könnte Amanda denn wirklich in Gefahr sein?«
Arthur erwiderte ihren Blick. »Dexter denkt, dass die Möglichkeit durchaus besteht. Und er gehört nicht zu der Sorte, die sich allzu rasch ins Bockshorn jagen lässt.«
Es war der ideale Rahmen, um einen großen Auftritt zu inszenieren - eine bedeutungsschwangere Geste, um die Aufmerksamkeit der stets auf Neuigkeiten erpichten Londoner Gesellschaft zu erlangen. Während des Abendessens, das Honorias Ball vorausging, wurden schließlich noch die genaueren Details diskutiert und erörtert. Selbstverständlich waren auch jene der Londoner Gastgeberinnen zu diesem Essen geladen, die für gewöhnlich den größten Einfluss auf ihre Mitmenschen ausübten. Womit sich Amandas Familie gleich schon einmal von Anfang an deren Wohlwollen und Unterstützung gesichert hatte.
Alle waren sich darin einig, dass Martin sich vor den Gästen nur ein einziges Mal verneigen sollte. Und zwar mit Amanda an seinem Arm und dann, wenn die meisten der Geladenen bereits eingetroffen wären. Als der besagte Moment gekommen war, verkündete Webster zunächst die Ankunft von Mr. Spencer Cynster und seiner Frau Patience, der Herzoginwitwe
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