Kuessen al dente - Roman
uns damals auf der Wiese begegnet sind, trotz des hässlichen Huts, den du auf dem Kopf hattest. Aber ich will, dass es richtig ist.«
Er sah dabei so ehrlich und ernsthaft aus – und so unverschämt gut –, dass Georgia kaum eine andere Wahl blieb, als über seine Worte nachzudenken. Außerdem hatte er sie nach Sizilien eingeladen. Sizilien! Und da war dieses freie Wochenende, das Claudia ihr noch schuldete, und niemand, mit dem sie es bisher hatte verbringen wollen. Was sie zu der sehr vernünftigen Schlussfolgerung führte: Wenn nicht Gianni, wer dann? Es war ja beileibe nicht so, dass die Männer dutzendweise (oder auch nur ein Einziger) Schlange standen, um von ihr erhört zu werden. Und obwohl sie sich dabei fühlte wie eine Sechzehnjährige auf Klassenfahrt nach Cancun, dachte sie an Sex. In Sizilien könnte sie Sex haben.
»Okay«, meinte sie gedehnt. »Du hast gewonnen.«
»Findest du wirklich, das ist eine gute Idee?«, fragte Vanessa. »Mit Gianni zu verreisen?«
Georgia und Vanessa saßen auf der Veranda, tranken eiskalte Limonade mit frischen Minzeblättern und genossen die einzigen freien Minuten des Tages. Es war heiß und drückend schwül; dicke Wolken hingen bewegungslos an einem grauen Himmel. Bald würde der abendliche Andrang einsetzen, und weder Vanessa noch Georgia oder sonst einer der Dia-Belegschaft würde zur Ruhe kommen, bis die letzten
Gäste das Lokal verlassen hatten, satt, zufrieden und mit dicken Bäuchen gelobten, ganz bald wiederzukommen. Der Sommer hatte sich seit der Eröffnung von seiner allerbesten Seite gezeigt, und das makellose Wetter in Verbindung mit nahezu makellosen Kritiken hatte ausnahmslos jeden Abend für ein rappelvolles Haus gesorgt. Die Crew war ziemlich erschöpft, und alle sehnten sich nach einem anständigen Regentag.
»Nein«, entgegnete Georgia. »Ich bin auch nicht sicher, ob es eine gute Idee ist. Aber ich fahre trotzdem.«
»Aber du kennst ihn doch kaum! Wenn er nun ein Serienkiller ist? Und was ist mit dieser Blondine?«
»Er ist bestimmt kein Serienkiller, Vanessa. Ein Weiberheld, ja. Aber ein Mörder? Unmöglich. Und der blonde Vamp ist übrigens seine Cousine.«
»Klar doch, und ich bin die Königin von Saba.« Vanessa stellte ihr Glas ab, verdrehte die Augen gen Himmel und schickte einen Seufzer hinterher. »Solange du weißt, was du tust.«
»Ich muss es einfach versuchen. Und wer nicht wagt, der nicht gewinnt, so heißt es doch, oder?«
Dicke Regentropfen lösten sich aus den Wolken und zeichneten ein hell-dunkles Leopardenmuster auf die Terrasse. Keine der beiden Frauen zuckte mit der Wimper.
»Ja, wahrscheinlich«, meinte Vanessa schließlich, klang dabei aber nicht sonderlich überzeugt.
Mit einem einzigen Donnerschlag öffnete der Himmel seine Schleusen und entlud eine wahre Wasserflut, die die beiden augenblicklich bis auf die Haut durchnässte. Kreischend sprangen sie von ihren Stühlen und rannten zur Tür, die verschlossen war. Sie trommelten mit den Fäusten dagegen und brüllten lauthals, dass jemand aufmachen solle.
Effie spähte durch das kleine Fenster neben der Tür. »Oh, hallo, ihr«, sagte er. »Wollt ihr reinkommen?«
»Mach sofort die Tür auf!«, brüllte Vanessa ihn an.
Effie fummelte umständlich am Schloss herum. »Sorry, Mädels, da scheint es Schwierigkeiten zu geben. Wartet mal kurz.«
»Mach endlich die verdammte Tür auf!«, schrie Georgia, gerade als diese aufflog.
Georgia und Vanessa drängten in die Diele und lachten über die Pfützen, die sich um ihre Füße bildeten.
»Sagt bloß, es regnet. Ihr seid tatsächlich ein bisschen nass geworden«, feixte Effie und warf ihnen zwei Geschirrtücher zu.
»Du«, schnaubte Vanessa, »du bist ein toter Mann, Effie.«
In dieser Nacht schüttete es ohne Unterlass bis zum nächsten Morgen, und das Wetteramt erließ eine Hochwasserwarnung mit dem dringenden Hinweis an die Autofahrer, ihre Wagen in der Garage stehen zu lassen. Die Trattoria Dia schloss sieben Minuten nach elf Uhr abends ihre Tore. Es war das erste Mal in der kurzen, aber bewegten Geschichte des Lokals, dass noch vor Mitternacht der Feierabend eingeläutet wurde. Die Angestellten feierten das unverhoffte Ereignis, indem sie sich alle früh in die Federn verkrochen. Drei Tage später saßen Georgia und Gianni auf den Plätzen 3A und 3B des Alitalia-Flugs 432 nach Sizilien.
»Sehr komfortabel«, befand Georgia, nachdem die Stewardess sie zu ihren Plätzen in der Magnifica Class geführt
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