Küssen will gelernt sein: Roman (German Edition)
ihm stehen. »Willst du mich etwa rausschmeißen, kleiner Bruder?«
»Willst du mich dazu zwingen?« Nick war zwar größer, aber Louie kräftig wie ein Stier. Nick wollte sich nicht mit seinem eigenen Bruder schlagen, und er wusste auch, dass Louie ihn plattmachen konnte wie eine Planierraupe. Deshalb war er erleichtert, als Louie den Kopf schüttelte und an ihm vorbeiging.
»Wenn du mit ihr schlafen willst, dann tu es gleich.« Seufzend klaubte Louie seine Jacke von der Rückenlehne eines Ledersessels. »Tu es, noch bevor du andere Bauunternehmen in das Silver-Creek-Projekt involvierst. Bevor du noch mehr Investoren kontaktierst und ich noch mehr von meiner Zeit verschwende.«
»Deine Sorge ist unbegründet«, versicherte Nick seinem Bruder, als er ihn zur Tür brachte. »Ich halte mich von Delaney fern, und ich hab so ein Gefühl, dass sie mir lange Zeit aus dem Weg gehen wird.«
»Was ist denn heute in ihrem Salon passiert?«
Nick öffnete die schwere Holztür. »Nichts. Ich hab ihre Schlösser ausgewechselt. Sonst nichts.«
»Das bezweifele ich.« Louie zog sich seine Jacke über und stieg die Treppe hinab. »Ruf Mom an«, rief er noch. »Je früher du es hinter dich bringst, desto besser.«
Nick schüttelte den Kopf und ging zurück in den Wohnbereich. Er war nicht in Stimmung, seine Mutter anzurufen. Er wollte ihre Schimpfkanonaden über Delaney nicht hören.
Er schnappte sich sein Bier vom Kaminsims und trat durch die Terrassentür hinaus. Aus seinem achteckigen Whirlpool stieg Dampf, und er schnipste den Schalter an, um die Düsen anzuwerfen. Seine rechte Schulter schmerzte von der Schufterei auf dem Bau. Er zog sich nackt aus und bekam eine Gänsehaut, bevor er in das blubbernde heiße Wasser stieg. Die Fenster vom Haus warfen rechteckige Lichtflecken auf die Terrasse, erreichten jedoch seine Ecke nicht.
Bei manchen Punkten hatte Louie goldrichtig gelegen, bei anderen wiederum komplett falsch. Anfangs hatte Nick sein Haus wirklich als Stinkefinger für Henry gebaut. Doch noch bevor der Bau halb fertiggestellt war, hatte er das Interesse daran verloren, irgendjemandem etwas beweisen zu wollen. Was Delaney betraf, hatte er tatsächlich nicht damit gerechnet, sie je wiederzusehen. Mit dieser Theorie hatte sein Bruder total danebengelegen. Aber mit der Fahrradverschwörungstheorie kam er der Wahrheit sehr nahe. Eigentlich hatte Nick gar nicht vorgehabt, ihr den Drahtesel den ganzen Weg bis zu Henrys Haus zu schieben, doch dann hatte er ihren Gesichtsausdruck gesehen, als sie die platten Reifen bemerkte. Sie wirkte, als wollte sie gleich in Tränen ausbrechen, und er hatte ein so schlechtes Gewissen bekommen, dass er ihr geholfen hatte. Er hatte ihr sogar was von seinen Süßigkeiten abgegeben und im Gegenzug von ihr einen Kaugummi bekommen. Mit Pfefferminzgeschmack.
Mit der anderen Sache hatte Louie recht gehabt – auch wenn er selbst es eher starkes Interesse nennen würde als Verknalltheit. Doch entgegen der Meinung seines Bruders hatte er nicht vor, mit ihr zu schlafen. Er mochte keinen Einfluss auf seine körperliche Reaktion auf sie haben, doch ob er darauf Taten folgen ließ oder nicht, konnte er mit Sicherheit beeinflussen.
Die Leute sagten ihm vieles nach. Manches davon stimmte
sogar. Anderes wiederum nicht. Meist war es ihm egal. Aber Delaney wäre es nicht egal. Sie würde der Klatsch verletzen.
Nick trank noch einen Schluck Bier und betrachtete den Widerschein der Sterne im schwarzen Wasser des Sees. Er wollte nicht, dass sie verletzt wurde. Er wollte sie nicht verletzen. Es war Zeit, dass er sich von Delaney Shaw fernhielt.
Im Haus klingelte das Telefon, und er fragte sich, wann seine Mutter endlich mit dem Telefonterror aufhörte. Er wusste, dass sie mit ihm über die Gerüchte reden wollte, als hätte sie eine Art mütterliches Hausbesetzerrecht auf sein Leben. Louie schien das ständige Hinterherschnüffeln nicht so viel auszumachen. Louie nannte es Liebe. Vielleicht war es das sogar, aber als Nick noch klein war, hatte sie ihn manchmal so fest an sich gedrückt, dass er keine Luft mehr bekam.
Nick stellte das Bier auf den Whirlpoolrand und sank tiefer in das heiße Wasser. Seine Mutter fuhr nicht gern im Dunkeln Auto, also war er heute Abend wahrscheinlich vor ihr sicher. Morgen würde er sie anrufen und es hinter sich bringen.
Etwa zum fünften Mal in der letzten Stunde vernahm Gwen das Besetztzeichen. »Delaney hat offenbar den Hörer danebengelegt.«
Max lief über den
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