Kumpeltod: Nachtigalls achter Fall (German Edition)
summend
griff er mit behandschuhten Fingern nach der Rechten des Opfers und betrachtete
kritisch die Fingerkuppen. »Sieht eigentlich noch überraschend gut aus. Mit ein
bisschen Glück bleibt mir beim Abdruck nicht gleich die ganze Kuppe auf der
Karte kleben.«
Nachtigalls
Faust ballte sich, die Fingernägel bohrten sich schmerzhaft in den Handballen.
Wiener
rempelte ihn sacht an, als wolle er sich nur in Erinnerung bringen, und die
Faust lockerte sich etwas.
»Was
kann man tun, wenn es auf die klassische Art nicht mehr geht?«, erkundigte sich
Wiener, um ein wenig abzulenken.
»Och,
da gibt es viele Möglichkeiten. Scannen zum Beispiel. Man kann auch die gesamte
Haut im relevanten Bereich abziehen und über einen Handschuh streifen, bevor
man abrollt«, erläuterte Czernski bereitwillig.
Nachtigall
tarnte sein Würgen als Husten.
Dr.
Pankratz musterte ihn scharf.
»Ich
wusste gar nicht, dass ihr jetzt neue Waffen für den Nahkampf tragen dürft«,
grinste er und zeigte auf den grünen ›Stattgips‹.
»Ja – wir
rüsten auf.«
»Wie
hast du das denn nun wieder geschafft?«, blieb der Rechtsmediziner beim Thema
und hoffte, der Fingerabdruckexperte sei schnell mit seiner Arbeit fertig.
»So ein
Spinner hat Peters Wagen von der Straße abgedrängt. Fahrerflucht. Peter hat
unglaubliches Glück gehabt. Um ein Haar … «
Michael Wieners Stimme kippte und versiegte ganz.
»Ein
echter Mordversuch?«, erkundigte sich Dr. Pankratz erstaunt und sah tatsächlich
beeindruckt aus. »Wie bei James Bond?«
»Genau.
Aber ich bin leider ein bisschen aus der Übung. Deshalb trage ich jetzt diesen
dekorativen Verband – Pierce Brosnan wäre das nicht passiert«, gab Nachtigall gutmütig
zurück.
»Sind
Sie jetzt endlich fertig?«, fuhr Dr. Pankratz den dicken Mann an, der noch
immer mit der Fingerabdruckkarte hantierte.
»Ja,
nur noch eine Sekunde!«, entgegnete der unbeeindruckt fröhlich.
»Alles
klar. Bis demnächst!«, verabschiedete er sich dann und lief leicht hüpfend
davon.
»So,
dann wollen wir mal!« Der Rechtsmediziner nickte einem Kollegen auffordernd zu,
der gerade den anderen Tisch für eine spätere Sektion vorbereitete. Er stellte
sich die Lampe ein und sah auf den nackten Körper hinunter. »Die Erde haben wir
schon abgespült. Dass er erdrosselt wurde, wisst ihr schon?«
Die
beiden Ermittler nickten.
»Das
Werkzeug lag locker um seinen Hals, als wir ihn aus dem Grab geborgen hatten.
Selbst hergestellt, nicht wahr?«
»Ja,
ganz sicher. Ein flaches Elektrokabel mit einem Knebel an jedem Ende. Der
geschwollene Eindruck seines Gesichts kommt durch die Dunsung. Das bedeutet,
dass das Blut sich staute. So richtig schnell gestorben ist er nicht.«
»Kannst
du einen Suizid ausschließen?«
»Ja. Im
Nacken ist der gekreuzte Bereich des Kabels zu erkennen. Das kann man nicht
allein. Und am Kabel selbst ist keine Spur einer Manipulation zu bemerken.«
Er
begegnete Wieners fragendem Blick und ergänzte: »Wenn du einen Suizid durch
Drosselung begehen möchtest, brauchst du etwas wie einen Knebel im
Drosselinstrument, der verhindert, dass sich die Schnürung löst oder lockert.
Dann funktioniert es ja nicht. Hier ist nichts davon festzustellen.«
»Tatwerkzeug
eine Bastelarbeit, mitgebracht zum Tatort, den wir noch nicht genau kennen.
Eine geplante Tat, keine Tötung im Affekt.«
»Es sei
denn, der Mörder hat grundsätzlich so etwas in der Tasche. Für alle Fälle«,
schlug Dr. Pankratz vor. »Aber im Grunde eignet sich dieses Tötungsinstrument
nicht für einen Mord aus einem Streit heraus. Es ist eher etwas für den Täter,
der im Hinterhalt lauert. Das Kabel muss über den Kopf geschleudert und hinten
zugezogen werden. Im Streit wendet man dem anderen ja nun nicht den Rücken zu.«
»Es sei
denn, der andere wollte gerade weggehen. So nach dem Motto, mit dir zu streiten
hat eh keinen Sinn«, wandte Wiener ein.
»Hm«,
Dr. Pankratz überzeugte diese Darstellung nicht. »Auf jeden Fall muss man bei
dieser Art des Mordens nah an das Opfer ran. Von Ferne kannst du das Kabel
nicht über ihn werfen. Das bedeutet auch, dass das Opfer im Moment des
Überfalls möglicherweise weiß, wer da würgt, wer gekommen ist, um zu töten. Es
hört deinen Schritt, kennt deinen Geruch. Wenn du schießt, zischt die Kugel
eventuell von wer weiß woher zu dir.«
»Eine
geräuschlose Methode«, meinte Wiener trocken.
»Na,
nicht so laut wie ein Schuss, aber wenn das Opfer um sich tritt, ist es auch
nicht ganz lautlos.
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