Kumpeltod: Nachtigalls achter Fall (German Edition)
einer bösartigen Erkrankung,
Herzinfarkt, Schlaganfall? An den Folgen eines Unfalls?, war die Frage, die ihn
auf den nächsten Metern begleitete.
»Vielleicht
finden wir ja jetzt einen«, antwortete er verspätet auf Dr. Pankratz’ Frage.
»Bisher wussten wir noch gar nicht, dass wir den Vater des ersten Opfers auch
zu den Ermordeten zählen müssen. War reiner Zufall, dass es entdeckt wurde.« Er
hörte, wie unnatürlich hoch seine Stimme klang. Anspannung, wusste er, wie
immer, wenn er dem Rechtsmediziner bei der Arbeit zusehen musste.
»Ziemlich
verworren also. Sag mal, wirkt das Medikament nicht, das ich dir gegeben habe?«
»Doch,
doch. Warum?«
»Weil
du weißer bist als die Klinikwand.«
»Wird
schon wieder«, behauptete Nachtigall tapfer. »Der Arm tut schon kaum noch weh.«
»Die
beiden verbindet wenigstens eine Tatsache. Sie waren miteinander verwandt.«
Nachtigall
folgte dem großen Mann an den Kühlräumen vorbei in den Obduktionssaal. Auf dem
glänzenden kleinen Tisch, den man an alle Positionen auf dem Obduktionstisch
stellen konnte, hatte Dr. Pankratz schon seine Gerätschaften gerichtet. Ein
Schauer lief über Nachtigalls Rücken, als er an der Schädelsäge vorbeiging.
»Wie du
siehst, er ist natürlich nicht mehr frisch.«
»Er war
beerdigt. Du kannst ihm seinen Zustand nur schlecht vorwerfen!«
Ein
sonderbarer Blick aus den Augen des Gerichtsmediziners streifte sein Gesicht
wie ein Eishauch. »Du brauchst ihn nicht vor mir in Schutz zu nehmen. So – wenigstens ist in diesem Fall recht deutlich zu sehen, was ihm passiert ist.
Hier«, er deutete mit dem langen handschuhbleichen Finger auf eine Verletzung
an der Schläfe, linke Körperhälfte, »siehst du das Einschussloch. Es existiert
allerdings kein Ausschuss. Und da fragt man sich doch, wo zum Teufel das
Projektil abgeblieben ist.«
Interessiert
drehte Dr. Pankratz den Schädel des Toten unter der Lampe hin und her.
»Nichts.«
Die
beiden Männer hörten, wie die Stationstür aufgerissen wurde. Gleich darauf
vernahm man den hallenden, energischen Schritt des Leitenden Staatsanwalts, der
zielsicher in ihre Richtung kam. »Aha. Da kommt er ja, euer Dr. März. Beim
letzten Mal tauchte er nur auf, um zu poltern und Ergebnisse einzufordern. Die
Leiche hat er nicht ein einziges Mal angesehen. Sehr geschickt.«
Nachtigall
erinnerte sich noch gut. Die Leiche hatte als Vogelscheuche auf einem Feld
gestanden, nachdem man sie zuvor für 20 Jahre eingefroren hatte. Kein schöner
Anblick. Er hätte sich den damals auch gern erspart.
»So,
guten Morgen!«
»Guten
Morgen«, antworteten die beiden höflich.
»Wo ist
der zweite Obduzent? Brauchen wir sonst noch einen Experten hier vor Ort?«,
erkundigte sich Dr. März geschäftig und sah sich suchend um, als erwarte er, in
den Ecken Mitarbeiter der Polizei hocken zu sehen. »Couvier, diesen
Fallanalytiker, habe ich bereits angefordert. Wir sehen es nicht gern, wenn
unter unseren Augen ein Blutbad angerichtet und einer unserer Hauptkommissare
von der Straße gedrängt wird. Kein Fotograf da?«
»Doch.«
Der zweite Obduzent erschien wie auf sein Stichwort und trat an den Tisch
heran. »Die Bilder mache ich. Sie werden aussagekräftiger, wenn ein
Rechtsmediziner sie macht, als ein Fotograf, ohne Ahnung von Rechtsmedizin.«
»Nun
gut. Dann … «
In
Nachtigalls Denken hallten die Worte von Dr. März nach. »Couvier war schon da.
Gestern Abend.« Dann würde also Emile das Team für die Dauer der Ermittlungen
verstärken! Prima, Unterstützung war sicher nicht schlecht – vor
lauter Leichenfunden kamen sie ja kaum zum Arbeiten!
»Wie
gesagt«, begann der Gerichtsmediziner aus Potsdam erneut, »es gibt ein
Einschussloch – aber die Kugel muss im Kopf verblieben sein. Ausgetreten ist sie
jedenfalls nicht. So etwas kommt manchmal vor, aber ausgesprochen selten. Ich
habe röntgen lassen. Wir werden das Projektil finden.« Er trat an den
Leuchtschirm und klemmte zwei Röntgenaufnahmen unter die Schiene. »Hier ist es.
Und, wie Sie vielleicht auch sehen, das Hirn ist gut erhalten.«
»Die
Ehefrau hat ausgesagt, er sei ihr praktisch in den Arm gefallen. Sie habe ihn zum
Bett geschleift und abgelegt, damit er seinen Rausch ausschlafen kann. Dass er
tot war, ist erst später aufgefallen«, fasste Nachtigall zusammen. »Er kam
öfter betrunken nach Hause.«
»Hm.
Der Sohn erdrosselt, der Vater erschossen.«
»Ja.
Nach unseren bisherigen Ermittlungen ergibt das alles keinen Sinn. Vater und
Sohn waren
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