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Kurbjuweit, Dirk

Kurbjuweit, Dirk

Titel: Kurbjuweit, Dirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kriegsbraut
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in den Schatten, den ein
Humvee im Licht der starken Laternen warf. Der Amerikaner drehte eine
Zigarette, in die er irgendetwas hineintat. Er rauchte sie an und gab sie dann
Esther. Sie nahm einen Zug, reichte die Zigarette zurück.
    Er hieß
Jordan und kam aus Indianapolis. Er sagte, das Interessanteste an Indianapolis
sei, dass es dort Fußgängerampeln gebe, die anzeigten, wie lange man noch warten
müsse und wie viel Zeit man habe, bis es wieder rot wird. In Deutschland gebe
es das nicht, sagte Esther. Er wisse das aus Frankfurt, sagte Jordan, deshalb
erzähle er das ja. Sie diskutierten eine Weile die Frage, ob es ein Vorteil
ist, die Zahl der Sekunden zu kennen, die einem bleiben, bis es grün wird oder
rot, je nachdem. Esther sah keinen Sinn darin. Jordan sagte, er finde die
Information nützlich, da er, wenn es egal sei, ob er diese Ampel nehme oder
die nächste, einen Block weitergehen könne, falls ihm die Rotphase zu lang sei.
So spare er Zeit. Und wenn nur noch wenige Sekunden grün blieben, könnten
ältere Menschen auf die nächste Grünphase warten, das sei sicherer. Er wundere
sich, warum nicht die Deutschen dieses System erfunden hätten, weil doch, soweit
er wisse, nur Deutsche bei Rot warteten, wenn kein Auto komme. Esther stimmte
ihm zu.
    Es war
still im Lager, bis auf ein paar Generatoren, die leise brummten. Ein Hund
schlich heran, schnupperte in ihre Richtung und verschwand. Esther fragte
Jordan, was er in Kunduz mache, bekam aber nur vage Auskunft. Sie hätten hier
eine Mission.
    «Sucht ihr
Mullah Omar?»
    Er lachte.
    «Alle
suchen Mullah Omar, aber nicht hier.»
    «Was
würdest du tun, wenn du Mullah Omar finden würdest?»
    Ihr kam
das vor wie eine Kinderfrage: Was würdest du tun, wenn jetzt da vorne Godzilla
stünde?
    Er hob die
rechte Hand, streckte den Zeigefinger und spreizte den Daumen ab. Dann schob er
die Hand vor, bis die Fingerkuppe Esthers Schläfe berührte.
    «Paff»,
sagte er leise. Sein Finger wanderte ihre Schläfe entlang, bis er ihr Haar
berührte.
    «Schönes
Haar», sagte er.
    «Danke.»
    Er nahm
seine Hand zurück und fragte: «Was macht ihr hier?»
    Esther
zuckte mit den Achseln. «Wir frühstücken, essen zu Mittag und zu Abend.»
    «Ihr sorgt
mit tausend Soldaten dafür, dass ihr in Ruhe essen könnt? Ihr seid doch die
Truppe, die ganz Europa in Schutt und Asche gelegt hat.»
    «Das war
die Wehrmacht.»
    «Und wer
seid ihr?»
    «Die
Bundeswehr.»
    «Aber ihr
seid Deutsche?»
    «Andere
Deutsche.»
    Jordan
nickte. Sie rauchten eine Weile still, dann erzählte er Geschichten von der
Wehrmacht. Wie eine Aufklärungseinheit Rast gemacht habe in einem Wald, und
einer sei weggegangen, um sich zu entleeren, und dabei habe er einen russischen
Stoßtrupp gesehen, der habe sich fertig gemacht zum Angriff auf die Deutschen.
Zu viele Russen, zu wenig Zeit, um die Deutschen zu warnen, da habe der Soldat
die beiden Handgranaten aus dem Koppel gezogen, sie entsichert, und dann sei er
unter die Russen gesprungen.
    «So waren
die Deutschen», sagte Jordan.
    Esther
wusste nicht, was sie sagen sollte. Schließlich fragte sie, wo er in
Afghanistan stationiert sei. «In Helmand», sagte er. Sie wusste, dass das im
Süden war. Sie kannten hier alle die Karte des Landes genau.
    «Verdammt
gefährlich ist es da», sagte Jordan. «Wir gehen mit einem Platoon in die Dörfer
und fragen, ob sie Taliban gesehen hätten. Sie sagen nein, wir gehen weiter,
und kaum haben wir das Dorf verlassen, wird auf uns geschossen. Wir töten ein
paar von denen, haben selbst Verwundete, die wir mit dem Hubschrauber abholen
lassen, und dann gehen wir ins nächste Dorf. Die haben auch keine Taliban
gesehen, und sobald wir raus sind, kommen die Schüsse, diesmal haben wir einen
Toten, einen Jungen aus Oregon oder Connecticut, den wir gemocht haben oder
nicht, wir fordern Luftunterstützung an und lassen alles platt bomben. Dann
gehen wir nach Hause, und sie machen auf dem Dorfplatz Pläne, wie sie das
Empire State Building in Schutt und Asche legen könnten. Am nächsten Tag sind
wir wieder in den Dörfern.
    «Wie sind
die Taliban?», fragte Esther.
    «Sie sind
unglaublich dünn, wenn du sie da liegen siehst, sie sehen aus, als würden sie
sterben, sobald du sie anspuckst. Aber sie sterben nicht einmal, wenn du ihnen
ein Dutzend Kugeln in den Leib jagst. Um sicherzugehen, dass sie tot sind,
müsstest du ihnen das Herz rausschneiden. Dabei heißt es doch, dass sie sich
auf den Tod freuen, wegen der Jungfrauen im

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