Kurbjuweit, Dirk
jagen.»
«Genau»,
warf ein Major aus Leipzig ein, «sie werden ein paar Taliban abknallen und dann
verschwinden. Und wenn sich die Taliban neu formiert haben, um Rache zu üben,
wer muss das dann ausbaden?»
«Na, wir»,
sagte der Oberleutnant.
Sie
schwiegen. Der Hauptmann beugte sich vor und fragte mit leiser Stimme in die
Runde: «Habt ihr denn nicht gehört, was los ist?»
Kopfschütteln,
fragende Blicke.
Der
Hauptmann beugte sich noch weiter vor und redete so leise, dass sich auch die
anderen vorbeugen mussten: «Mullah Omar ist hier.»
Grinsen,
ein paar kurze Lacher.
«Quatsch.»
«Kann ja
nicht sein.»
«Doch»,
sagte der Hauptmann, ein Pionier. «Mullah Omar lebt versteckt in einer Höhle
nahe Kunduz.»
«Was soll
er denn hier? Hier gibt's doch gar keine Taliban», sagte ein Oberstleutnant.
«Eben.»
«Wieso
eben?»
«Denken
Sie doch mal nach.»
«Klar»,
sagte der Oberstleutnant. «Er kann doch nichts Besseres tun, als sich hier zu
verstecken, weil niemand damit rechnet, dass er hier sein könnte.»
«Genau»,
sagte der Hauptmann.
«Und nun
haben die Amerikaner ihn doch entdeckt.»
«Da hätten
wir auch drauf kommen können.»
«Gibt
gutes Kopfgeld.»
«Zehn
Millionen.»
«Zwanzig.»
«Das holen
sich jetzt die Amis.»
«Und wir
müssen es ausbaden.»
Alle sahen
zu den Amerikanern. Die hoben die Gläser und prosteten den Deutschen zu. Die
Deutschen prosteten zurück.
Esther
stand auf, um für sich und die anderen Bier zu holen. An der Theke war eine
Lücke neben den beiden Amerikanern, dort stellte sie sich hin und bestellte sieben
Bier. Der Amerikaner, der neben ihr stand, drehte sich um, wahrscheinlich weil
er eine Frauenstimme gehört hatte.
«Hi»,
sagte er.
«Hi.»
Ihre
Blicke trafen sich kurz, dann wendete sich Esther wieder dem Soldaten hinter
der Bar zu. Er hatte ihre Bestellung offenbar nicht gehört.
«Wie geht
es?», fragte der Amerikaner auf Deutsch.
Schön,
dachte sie, du kannst Deutsch, prima.
«Gut»,
sagte sie. «Sieben Bier, bitte», rief sie dem Barmann zu.
Aus den
Augenwinkeln sah sie, dass der Amerikaner sie anschaute. «Mir geht es auch
gut», sagte er. «Das freut mich.»
Die sieben
Bier kamen, sie zahlte, nickte dem Amerikaner zu und setzte sich wieder zu den
Offizieren. Sie hatten inzwischen das Thema gewechselt und verglichen den
neuen Passat mit seinem Vorgänger und waren sich nicht einig über die Frage, ob
das Design der Stammkundschaft gefallen könne oder nicht. Zwei sagten, es sei
zu gewagt, einer fand es genau richtig, auch ein Volkswagen dürfe nicht mehr
bieder sein, man müsse den Leuten auch mal etwas zumuten. Aber dann, wurde
erwidert, würde der Passat zu wenig verkauft, und Volkswagen hätte ein Problem,
zumal Toyota eine sehr attraktive Alternative anbiete, und Toyota habe schon
Vorteile bei der Zuverlässigkeit. Die sei der Stammkundschaft von VW viel
wichtiger als ein pfiffiges Design. Esther schaute zur Theke. Der Amerikaner,
der sie angesprochen hatte, redete mit zwei Deutschen. Die anderen waren
gegangen. Der Tresen wurde gewischt, es waren höchstens noch ein Dutzend
Soldaten in der Bar, zudem zwei Zivilisten, der eine, vermutete Esther, ein
Entwicklungshelfer, der andere ein Journalist. Sie redeten miteinander, als
ginge es um ein Geheimnis.
Der
Amerikaner war dunkelhäutig, sah aber eher aus wie ein Inder als wie ein
Afrikaner, irgendwas dazwischen, dachte Esther. Er war nicht besonders groß,
aber breitschultrig und muskulös. Seine Haare waren kurz rasiert, er war ein
Marine, Corporal. Er drehte sich nach ihr um, sie schaute weg. Als die
Offiziere an ihrem Tisch sich ins Bett verabschiedeten, sammelte Esther die
leeren Bierdosen ein und brachte sie zur Theke. In fünf Minuten würde die Bar
geschlossen werden. Sie verließ die Bar, ohne den Amerikaner noch einmal
angesehen zu haben. Sie ging langsam. Der Amerikaner hatte sie bald eingeholt
und fragte, ob sie mit ihm etwas rauchen würde. Er fragte das auf Englisch. Sie
sagte ja, worauf er vorschlug, dass man sich zu den Humvees setzen könne. Sie
war einverstanden und führte den Amerikaner so, dass sie nicht mehr an der Bar
vorbeikamen und keinen Heimgängern begegnen konnten. Auf dem Weg sagte er ihr,
dass er eine Weile in Frankfurt stationiert gewesen sei und dort ein paar Worte
Deutsch gelernt habe. Es sei aber leider nicht genug, um sich mit ihr
unterhalten zu können. Kein Problem, sagte sie, ihr Englisch sei nicht
besonders gut, aber es würde reichen. Sie setzten sich
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