Kurbjuweit, Dirk
Bundeskanzlerin»', sagte sie und hielt das für
einen guten Punkt. Dann kam das, was kommen musste: «Wie ist es denn bei der
deutschen Armee?», fragte Mehsud. «Gibt es da Gleichberechtigung?» Oje, nun
half nur noch strammes Lügen, sonst würde sie diesen Disput verlieren. Erst
einmal weich argumentieren: Bei der deutschen Armee könnten die Frauen das
werden, was Männer auch werden können. Theoretisch war das immerhin wahr. Aber
damit, das war klar, ließ er sie nicht entkommen. Die Frage kam sofort: «Wie
ist es denn im Alltag, gibt es da wirklich Gleichbehandlung?»
«Im Großen
und Ganzen schon», sagte sie und dachte: Verzeih mir bitte, Ina, verzeih mir
bitte, Maxi, hilf mir bitte, Fatima. Sein Mund zeigte einen spöttischen Zug.
«Dein Vorgänger hat hier immer gelästert über die Frauen bei der Armee, die
seien durch und durch unmilitärisch, sagte er gerne, die könne man prügeln,
und dann wüssten sie immer noch nicht, wie man eine ordentliche Meldung macht.
Hältst du das für eine Einzelmeinung?»
Nein,
natürlich nicht, hätte sie am liebsten aufgeschrien, sagte aber: «Ja.» Festes
Gesicht, kein Zucken, kein Grinsen.
«Dieser
Mann», fuhr Mehsud ungerührt fort, «Klaus hieß er, sagte auch, die Frauen in
Deutschland würden sich jetzt aufführen wie Männer, aber sie wollten weiterhin
behandelt werden wie Frauen. So ginge das doch nicht, sagte er. Kommen daher
wie Kerle, wollen Chef sein, überall mitreden, aber wehe, man hält ihnen die
Tür nicht auf oder lässt sie schwere Einkaufstüten tragen. Dann sind sie
beleidigt, sagte dieser Klaus, als er dort stand, wo du jetzt sitzt. Sie führen
sich auf wie Kerle, ohne richtige Kerle zu sein, wollen aber behandelt werden
wie Frauen, ohne richtige Frauen zu sein. So ist das jetzt bei uns, Mehsud,
sagte dieser Klaus zu mir.»
Arschloch,
dachte sie.
«Da hast
du es besser, sagte dieser Klaus zu mir.»
Sie konnte
sich noch an diesen Klaus erinnern, Hauptmann, Schnurrbartträger, breite
Schultern, Fallschirmjägerabzeichen, kein Dummkopf. Es gab einen Blick im
Lager, der selbst unter einer Schutzweste nach den Konturen von Brüsten
suchte. Er hatte diesen Blick. Man wünschte sich geradezu in eine Burka hinein.
Den Gedanken verwarf sie und sagte: «Deine Frau hat doch auch keine Burka
getragen und kein Kopftuch.» Das war ein Sprung, aber sie musste wegkommen von
dieser Klaus-Thematik, da wäre nur durch konsequentes Lügen etwas zu holen
gewesen, und das wollte sie nicht. Auch weil sie das Gefühl hatte, dass Mehsud
auf eine verquere Weise auf ihrer Seite war. Jedenfalls sprach er über Klaus im
Ton der Verachtung. Nichts anderes war angemessen. Nein, das sei für seine
Frau nicht in Frage gekommen, sagte er. Sie hätten nie ein Wort darüber
verloren. «Siehst du», sagte Esther, «eine Frau, die sich entscheiden kann,
entscheidet sich nicht für eine Burka, nicht einmal für ein Kopftuch.»
«Aber sie
hat sich auch nie für Unterhosen entschieden, die nur aus zwei Fäden und einem
kleinen Stoffdreieck bestehen», sagte Mehsud. «Das hätte sie unbequem
gefunden, untragbar.»
Esther
wurde rot, dunkelrot. Schon das Wort Unterhose hätte sie niemals erwartet in
diesem Schuldirektorenzimmer im Hindukusch, und dann noch in diesem
Zusammenhang. Zum Glück trug sie eine eher züchtige Unterhose, trotz der
Schleife. Die Frauen konnten sich die Männershorts zuteilen lassen oder
«Schlüpfergeld» kassieren, so nannte man das. Sie nahm das Schlüpfergeld, aber
das sagte sie Mehsud nicht. Dass dieser Mann das Thema hier so ansprach. Und
sie hatte gedacht, sie könnte ihn mit dem Gynäkologenstuhl aus der Reserve
locken. Sie hatte ihn falsch eingeschätzt, sie musste neu über ihn nachdenken.
Aber das befreite sie nicht von einer Antwort. Sie musste sich sammeln, sie
hatte schon zu lange gewartet, und natürlich wirkte sie jetzt so verlegen, wie
sie war. Dabei kam sie doch aus einer Gesellschaft, in der das alles eine
Selbstverständlichkeit war. Jedes Jahr vor Weihnachten waren die Städte
tapeziert mit Werbung für Dessous der Art, die Mehsud meinte. Sie waren ein
Muss in jedem buchenholzfurnierten Schlafzimmer. Also Pflicht? Dann hätte
Mehsud recht. Schnell weg von diesem Gedanken, zumal sie auch schon mit solchen
Slips beschenkt worden war, nicht von Thilo allerdings. Um ihm zu gefallen,
hatte sie selbst welche gekauft.
«Warum
soll sich eine Frau nicht schön machen für den Mann, von dem sie Zärtlichkeit
erwartet?» Das fand sie eine gute
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