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Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Titel: Kurschatten: Ein Sylt-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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verschluckt worden war. Es raste gegen das Kliff an, und jedes Mal, wenn es zurückwich, nahm es ein kleines Stück der Insel mit. Erik hatte ihr oft erzählt, dass Sylt ständig an Land verlor und dass es während der großen Sturmfluten so schlimm gewesen war, dass Häuser, die in der Nähe des Kliffs gebaut worden waren, Gefahr liefen, ins Meer zu stürzen. Nun sah sie die Gewalt der Natur mit eigenen Augen.
    »An der Kurpromenade von Westerland«, sagte ein Mann in ihrer Nähe, »sind die Feuerwehrleute schon im Einsatz. Die versuchen zu retten, was zu retten ist. In der Nähe der Konzertmuschel soll schon Land unter sein.«
    Er sprach noch weiter, aber es war nicht mehr zu verstehen. Der Sturm riss seine Sätze davon. Er zerrte auch die Möwen fort, die schreiend über sie hinwegflogen, und jagte die dunklen Wolken über die Insel. Es war kaum möglich, ruhig stehen zu bleiben und das Schauspiel in sich aufzunehmen. Der Sturm rüttelte an Mamma Carlottas Körper, ließ sie schwanken, zwang sie, sich in kleinen Drehungen und Wendungen dem Sturm entgegenzubewegen, um nicht von ihm angegriffen und überrascht zu werden.
    Neben ihr griff eine Frau erschrocken nach ihrem Arm, um nicht hinzufallen. Mamma Carlotta hielt sie, stützte sie und sorgte dafür, dass sie bald wieder sicher auf den Beinen stand. Die Frau trug einen weiten Blouson, der sich aufblähte wie ein Segel und den Stoff um ihren Körper schlug.
    »Sie sind nicht richtig angezogen für diesen Sturm«, tadelte Mamma Carlotta, die sich nicht zu den Touristen, sondern als Mitglied einer Sylter Familie zu den Einheimischen zählte und sich daher das Recht herausnahm, Ratschläge zu erteilen.
    »Auf der Gosch-Baustelle ist gerade einiges zu Bruch gegangen«, hörte Mamma Carlotta einen Mann in ihrer Nähe sagen. »Ich bin da gerade vorbeigegangen und habe gesehen, dass einige Bretter vom Gerüst gefallen sind. Die sind durch die Luft gesegelt wie Streichhölzer.« Er lachte selbstgefällig und sogar ein wenig schadenfroh. »Der Polier wird Ärger kriegen. Der hat die Baustelle nicht richtig gesichert!«
    Mamma Carlotta, die den Polier längst zu ihren Sylter Freunden zählte, wies ihn zurecht. Sie musste gegen den Wind anschreien, während sie klarmachte, dass der Polier ein sehr zuverlässiger Mann sei, der seine Aufgabe ernst nehme. »Aber gegen so einen Sturm ist auch er machtlos!«
    Doch der Mann gehörte zu den Besserwissern. »Ich kenne mich aus! Wenn mich auf dem Nachhauseweg irgendwas trifft, dann hat der Schadensersatzforderungen am Hals, die sich gewaschen haben.«
    Über die Rechthaberei vergaß er, dass er sich festhalten musste, während er Mamma Carlotta auseinandersetzte, welche Probleme ein Bauherr mit seiner Versicherung bekäme, wenn eine Baustelle nicht ordentlich gesichert sei. Er öffnete den Reißverschluss seiner Jacke, als wollte er nach einer Visitenkarte suchen, da griff der Sturm nach ihm und riss ihn von den Beinen. Er fiel hintenüber und schlug mit dem Kopf gegen eine der gläsernen Trennwände, die Gosch aufgestellt hatte, um die Gäste, die bei gutem Wetter draußen essen wollten, vor dem Wind zu schützen.
    Die Umstehenden halfen dem Versicherungsexperten auf die Beine. Auch Mamma Carlotta griff zu und hielt den Mann, nachdem er wieder aufrecht stand, fest, bis er seiner Verwirrung Herr geworden war und sich damit abgefunden hatte, dass er einer Sturmbö nicht gewachsen war. Währenddessen überzeugte sie ihn davon, dass auch der Gewissenhaftigkeit eines Poliers Grenzen gesetzt seien, wenn der Sturm derart wütete wie an diesem Tag.
    Als sie den Eindruck hatte, dass der Mann geläutert war und nicht mehr daran dachte, dem netten Polier, der ihr zu so vielen Unterschriften gegen das neue Gesundheitshaus verholfen hatte, Schwierigkeiten zu machen, fügte sie geschäftstüchtig an, dass es auf dem Hochkamp eine Imbissstube gebe, in der heiße Getränke zum Aufwärmen angeboten würden. Dann verabschiedete sie sich und trat den Rückweg an, um Fietje im Mittagsgeschäft zu unterstützen, falls es doch noch in Gang gekommen war.
    Den Wind hatte sie nun im Rücken und musste sich gegen ihn lehnen, damit ihre Füße nicht schneller liefen, als sie selbst vorankommen wollte.
    Sie bog nach rechts ab, wechselte die Straßenseite und lief am Kindergarten vorbei, wo es ein Stück bergab ging. Sie hatte ihre liebe Mühe, auf dem Gehweg zu bleiben. Immer wieder packte sie der Sturm, und jedes Mal kamen die heftigsten Böen so unerwartet,

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