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Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Titel: Kurschatten: Ein Sylt-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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verstecken.
    Auf dem Weg zur anderen Hausecke, wo die Müllcontainer standen, hinter denen Tove und Fietje Deckung suchten, stockte Mamma Carlotta plötzlich. Sie hatte ein Geräusch gehört und eine Bewegung an einem der Fenster ausgemacht. Dass es zerschlagen worden war, bemerkte sie erst jetzt. Erschrocken blieb sie stehen, starrte die gläsernen Zacken an, die noch im Fensterrahmen steckten. Ihr Blut rauschte in den Ohren, ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Am liebsten hätte sie kehrtgemacht, wäre zu den Demonstranten zurückgelaufen und hätte nach der Polizei geschrien. Aber dann blieb sie doch stehen und lauschte. Die Nähe der großen Menschenansammlung machte ihr Mut. Sie war hier nicht allein! Ein gellender Schrei, und sämtliche Mitglieder der Bürgerinitiative würden ihr zu Hilfe eilen.
    Schritte knirschten im Baubüro, als träte jemand auf zersplittertes Glas. Dann hörte Mamma Carlotta das Klicken einer Kamera. Vorsichtig und mit klopfendem Herzen bewegte sie sich weiter auf den Baucontainer zu … da sah sie ein Knie auf der Fensterbank, eine Hand, die sich am Rahmen festhielt. Eine junge Frau, die Mamma Carlotta kannte, schwang sich aus dem Fenster. Dass sie eine Spur zu dynamisch auf dem Boden ankam, der Schwung sie vorwärtstrug und erst stoppte, als sie bäuchlings auf dem Boden lag, wunderte Mamma Carlotta nicht besonders. Wiebke Reimers schien einfach nicht dafür gemacht, sich gefahrlos von einem Punkt zum anderen zu bewegen.
    Sie rappelte sich auf und untersuchte ihre Kamera, die anscheinend keinen Schaden genommen hatte. Dann erst stellte sie fest, dass sie nicht mehr allein war. Erschrocken sah sie Mamma Carlotta an, aber dann ging ein kleines Lächeln über ihr Gesicht. »Sie sind es! Ich dachte schon …«
    Mamma Carlotta machte einen Schritt nach vorne und konnte nun einen Blick in das Büro werfen. Erschrocken hielt sie die Luft an, als sie die beiden Beine sah, die unter einem Schreibtisch herausragten. Und dann entdeckte sie auch die Blutlache. »Madonna!«

» W enn das Ihre Schwiegermutter wüsste!« Sören betrachtete das Fischbrötchen, das er in Händen hielt, als fragte er sich, ob er überhaupt hineinbeißen dürfe.
    Erik ermunterte ihn. »Sie ist selber schuld, wenn sie sich mit den Kindern auf einer Demo rumtreibt, statt uns ein gutes Abendessen zu machen.«
    »Aber sie ist doch nicht verpflichtet, für uns zu kochen!« Vorwurfsvoll sah Sören seinen Chef an. Dann aber veränderte sich sein Gesichtsausdruck. »Andererseits … ich finde, wir sollten es ihr nicht sagen. Sie hat mir mal erzählt, wie widerwärtig sie Fischbrötchen findet.« Noch immer hatte er es nicht über sich gebracht, den ersten Bissen zu nehmen. Es ging einfach nicht, solange er an Mamma Carlotta dachte und sich wie ein Betrüger fühlte.
    Erik war da weniger sensibel. »Sie müssen das so sehen, Sören: Ein Fischbrötchen stillt zwar den allergrößten Hunger, lässt aber noch Platz für mehr, nur für den Fall, dass sie nach der Demo doch noch irgendwas auf den Tisch bringt. Sie kennen ja meine Schwiegermutter! Die kann aus dem Nichts ein Menü zaubern.«
    Sören beugte sich mit steifem Oberkörper vor und riss entschlossen den Mund auf. Bevor er zubiss, versicherte er sich noch einmal: »Aber wir verraten es ihr nicht?«
    »Einverstanden«, gab Erik mit vollem Mund zurück. Er hatte bereits die Hälfte seines Brötchens vertilgt und kämpfte nun mit den Zwiebelringen, die neben seinem Matjes zum Vorschein kamen.
    Sie standen vor Gosch an der Kliffkante und sahen aufs Meer hinaus. Parallel zum Strand waren Stehtische aufgestellt worden, damit die Touristen während ihrer Mahlzeiten den Blick aufs Meer und in den Himmel genießen konnten. Dieses Angebot wurde nicht nur im Sommer, sondern auch im Winter und bei Sturm und Kälte angenommen. Der herrliche Ausblick machte aus dem einfachsten Bismarckhering eine Delikatesse, die nirgendwo so gut schmeckte wie hier.
    Das Meer war dunkel an diesem Tag, die weißen Schaumkronen stachen umso deutlicher hervor. Und unruhig war es! Die Wellen sprangen auf den Strand zu, als wären sie auf der Flucht und hätten keine Zeit gehabt, sich zu formieren. Einige hüpften nur kraftlos auf den Sand, dann wieder folgten Brecher, die den überraschten Strandwanderern die Füße nass machten. Das Blau des Himmels verbarg sich unter einem dünnen Wolkenschleier, der Sonnenuntergang war im trüben Licht bereits zu erahnen.
    Der Wind war eiskalt, aber zum Glück nicht besonders

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