Kurschatten: Ein Sylt-Krimi
ebenso kurz und knapp zu antworten, wie die Staatsanwältin ihn fragte. »Wir haben nichts gefunden, was für einen Außenstehenden interessant sein könnte. Nur Arbeitsunterlagen.«
»Also hat der Mörder gefunden, was er suchte.«
»Sieht so aus.«
»Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen dem Tod von Ludo Thöneßen und dem Mord an Dennis Happe?«
Erik zögerte. »Eigentlich nicht. Ludos Mörderin ist bekannt. Sie kann Dennis Happe nicht umgebracht haben.«
»Aber beide Morde spielen sich im Umfeld der Matteuer ab.«
»Ja, das ist merkwürdig.«
»Also doch ein Zusammenhang?«
»Ich sehe trotzdem keinen.«
»Sie sollten das Apartment der Schwestern durchsuchen, vor allem das Zimmer der Toten. Ich schicke Ihnen einen Durchsuchungsbeschluss. Vielleicht findet sich dort ein Hinweis.«
»In Ordnung.«
»Da hätten Sie übrigens auch selbst drauf kommen können.«
Seine Laune sackte wieder abwärts. Zum Glück hielt die Staatsanwältin sich nicht mit Abschiedsworten auf, so konnte er das Gespräch beenden, ohne sich zur Freundlichkeit zwingen zu müssen.
Dass Sören in diesem Moment mit seinem Rennrad von der Kjeirstraße in den Kirchenweg bog, war ein winziger Lichtblick im tristen Grau dieses Tages. Was Erik heute an Charme und Freundlichkeit nicht aufbringen würde, konnte sein junger Assistent angesichts einer Oberweite XXL vielleicht wettmachen.
M amma Carlotta war froh, dass das Telefon erst geläutet hatte, als Sören schon aus dem Haus war. Vorsichtshalber hatte sie sich mit dem schnurlosen Gerät in die Küche zurückgezogen, damit ihre Stimme in den Kinderzimmern nicht zu hören war. »Niccolò! Come stai?«
So fröhlich und so unbefangen wie möglich hatte sie ihren Neffen begrüßt, aber der konfrontierte sie sofort mit seinen schweren Sorgen. »Was ist nun mit dem Bistro im neuen Gesundheitshaus von Sylt, Tante Carlotta? Ich brauche ein neues Restaurant! Die Schulden stehen mir allmählich bis zum Hals! Und hier, in Assisi und Umgebung, finde ich nichts.«
»Mit dem Bau des Gesundheitshauses ist noch nicht mal begonnen worden«, wich Mamma Carlotta aus. »Die Bevölkerung wehrt sich dagegen. Wer weiß, ob überhaupt was daraus wird. Du brauchst etwas anderes, Niccolò, wenn dich die Schulden drücken.«
»Vorübergehend, sì! Ich suche mir eine Stelle als Kellner. Aber ein Mann wie ich mit einem Chef, der ihn drangsaliert?«
Mamma Carlotta unterbrach ihn, weil es so schien, als wollte Niccolò seine schwierige Situation ausschmücken, ihr weismachen, er hätte die Möbel schon einem Trödler verkaufen, die Kinder zum Betteln auf die Straße schicken müssen, und lebe seit Wochen von Wasser und Brot. Wie ein Italiener das eben so machte, wenn es ihm schlechtging, damit sein Gegenüber es mit Anteilnahme und Hilfsangeboten genauso übertrieb! Für Mamma Carlotta ein völlig normales Verhalten, doch diesmal konnte ihr schlechtes Gewissen es nicht ertragen.
»Es ist schwierig, Niccolò«, warf sie ein. »Sylter sollen bevorzugt werden bei der Vergabe des Bistros.«
Aber davon wollte Niccolò nichts hören. Er wusste, dass seine Tante in der Lage war, auf einen Verkehrspolizisten so lange einzureden, bis er auf eine Anzeige verzichtete, auch wenn ihr Ältester zum zwanzigsten Mal die Höchstgeschwindigkeit beträchtlich überschritten hatte. Einer Frau wie ihr würde es also auch gelingen, einem Verpächter klarzumachen, dass ein Italiener der bessere Gastronom war und überhaupt alle Welt italienisch essen wolle.
Am Ende hatte sie ein weiteres Mal versprochen, sich für Niccolò einzusetzen, obwohl sie nicht wusste, wie das zu bewerkstelligen war, ohne dass die Kinder etwas bemerkten. Auf Corinna Matteuers Angebot eingehen? Nein, das kam nicht infrage. Sie brauchte sich nur vorzustellen, wie enttäuscht Carolin und Felix von ihrer Nonna wären! Niccolò würde sich woanders ein Bistro suchen müssen. Es ging nur noch darum, ihm zu erklären, dass es in diesem Fall sehr, sehr schwierig war, la famiglia und Eriks Beziehungen zur Obrigkeit, die für einen Italiener in seiner Heimat die Eintrittskarte in jedes Business waren, in Einklang zu bringen. Wenn Niccolò eine Ahnung davon hätte, dass Corinna Matteuer ihrem Schwiegersohn schöne Augen machte, dass Erik sogar die vergangene Nacht bei ihr verbracht hatte, würde er nicht begreifen, warum er nicht längst das Bistro im neuen Gesundheitshaus von Braderup angeboten bekommen hatte. Wie sollte sie dieser misslichen Lage nur wieder
Weitere Kostenlose Bücher