Kurt Ostbahn - Blutrausch
Sie mir so anschau, Frau Tomschik, dann kann mir sogar ich, als ein Mensch ohne besonders überschäumende Phantasie, gut vorstellen, wie er darauf kommt. Wie ein kreuzbraves Wäschermädel kommen Sie ja nicht grad daher, wann ich mir die Bemerkung erlauben darf.“
Dann gingen wir mit Brunner alle Eventualitäten des Abends durch. Ein Tete a tete mit dem Dichter im Separee kam dabei nicht zur Sprache. Aber eine goldene Regel: bei einer eventuellen Konfrontation ruhig verhalten, keine Eigenmächtigkeiten, versuchen, Zeit zu gewinnen. Hilfe ist nah. Es kann garnix passieren.
Der Dichter kommt hüstelnd in mein Blickfeld. Turnschuhe, Jeans mit Bügelfalte, schwarze Lederjacke. Und auf dem Kopf, so als hätte er sich kurzfristig zum Besuch dieses Kostümfests entschlossen und keine passende Verkleidung parat gehabt, eine Katzenmaske mit schwarzen und weißen Tupfen, Flitter um die Augen und langen goldenen Schnurrhaaren.
Sein Sprachfehler rührt wohl daher, daß die Katzenmaske für den Kinderfasching dimensioniert ist und um die Nase des Dichters zu eng sitzt.
„Sie müssen mit ihr sprechen“, nuschelt der Dichter. „Sie müssen sie an unsere Verabredung erinnern. Und Sie werden sie begleiten. Sie wird eventuell Ihre Hilfe brauchen.“
Kein Schaum vorm Mund, kein Nervenzucken, kein Klaus-Kinski-Blick, kein vergifteter Atem. Der Dichter hat so überhaupt nichts von einem wahnsinnigen Killer. Seine Hände zittern, und er vergräbt sie abwechselnd in den Taschen seiner Lederjacke. Das ist die einzige Auffälligkeit an seinem Verhalten. Aber auch mir zittern die Hände. Das kann Vorkommen, am Morgen nach einer harten Nacht zum Beispiel oder im Zustand großer seelischer Anspannung. Und was der Dichter spricht, macht sogar irgendwie Sinn. Keine Gepfählten, keine amputierten Herzen, keine Rachegöttin. Ein junger Mann in einer herzensmäßigen Notlage.
„Ich würde Ihnen ja gern helfen“, sage ich, „aber leider weiß ich nicht, von wem Sie reden. Aber wenn ich die Dame kenne, gehe ich gern zu ihr und lege ein gutes Wort für Sie ein. Ist Sie draußen?“
„Sie sind kein Idiot, obwohl Sie sich in der Öffentlichkeit gern als solcher präsentieren, also ersparen Sie uns bitte dieses lächerliche Versteckspielen“, sagt der Dichter mit energisch nuschelnder Stimme. „Wir wissen beide, von wem ich rede. Donna schätzt Sie. Sie haben einen Platz in ihrem Herzen. Sie hat mich lange genug mit diesen Kreaturen gestraft, die ihrer nicht würdig waren. Jetzt hat Sie einen Mann gefunden, der Manns genug ist, an ihrer Seite zu bestehen. Sie können Sie haben. Ich werde Ihrem gemeinsamen Glück nicht im Wege stehen. Das stünde mir auch nicht zu. Aber Donna und ich haben eine Vereinbarung, wenn Sie so wollen, und ihren Teil unserer Vereinbarung wird sie heute zu erfüllen haben.“
„Verstehe“, sage ich, „eine Vereinbarung. Also da will ich mich gar nicht einmischen. Reden Sie doch selbst mit ihr, ich kann das jederzeit arrangieren.“
„Es hat da vor kurzem eine Meinungsverschiedenheit gegeben. Es war ganz allein meine Schuld. Aber seit dieser unschönen Szene spricht Donna nicht mehr mit mir. Sie kann sehr nachtragend und unerbittlich sein.“
„Is mir noch nicht aufgefallen“, sage ich.
„Wenn Sie Donna so lang und gut kennen wie ich, werden Sie verstehen, was ich meine“, sagt der Dichter.
Und ich hab schön langsam den Eindruck, durch einen Knick in der Realität in eine Operette geraten zu sein, in der ich die Rolle des Postillion d’amour übernehmen soll.
„Also was darf ich Donna bestellen?“
„Wir treffen uns auf Rodenstein“.
„Und Donna kennt den Weg?“
Der Dichter lacht. Er hat schlechte Zähne. Das paßt, wie die lächerliche Katzenmaske, nicht so recht zu seinem adretten Äußeren. „Natürlich kennt sie den Weg. Schließlich ist sie dort zu Hause. Aber fahren Sie vorsichtig, die Straßen sind nachts oft schon recht glatt.“
„Und wann, haben Sie sich vorgestellt, soll Donna vorbeischauen?“
„Es ist alles vorbereitet. Wenn sie sich hier, sagen wir, um zwei von ihren Verpflichtungen freimachen kann, könnten Sie beide um halb vier auf Rodenstein sein. Aber wie gesagt: fahren Sie vorsichtig. Und noch etwas: Ich rechne ganz fest mit Ihrem Kommen. Donna wird Sie brauchen. Aber ersparen Sie mir dieses Gesindel da. Sie kommen zu zweit.“
„Versprochen“, sage ich. „Rodenstein. Zu zweit.“
„Gut. Dann entschuldigen Sie mich jetzt“.
Ich sehe noch, wie er etwas aus der
Weitere Kostenlose Bücher