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Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Titel: Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hulova
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wortwörtlich: Sie hat schamlos deinen Namen gestohlen wie ein altaischer Pferdedieb die herrlichsten Pferde unserer Herden. Das empfand ich als lächerlich. Mutter war kein sich im Dunkeln anschleichender Strauchdieb mit einer Uurga und Stricken, und mein Name hatte mit Pferden nichts gemein.
    Ich fragte Mutter sofort, wie man einen Namen stehlen konnte, und sie erzählte mir statt einer Erklärung neuerlich diese Abschiedsgeschichte mit Urgroßmutter, und wie sie als Einzige in ihrem Gesicht die Mücke erkannt und Großvater entschieden hatte, ich würde Dolgorma heißen. Der Umstand, dass Großvater mich lediglich als Baby gesehen hatte, schien Mamas Version irgendwie zu bestätigen.
    Großvater hatte ich liebgewonnen. Tante Ojuna nicht so besonders, weil Batdschar sagte, das mit dem altaischen Pferdedieb hätte er von ihr, und auch Mama vertrug sich nicht sehr mit ihr. Ich verstand zwar nicht, warum ich mit Mutter erst so spät in den Baschkgansker Somon gekommen war, und als sich herausstellte, dass Tsetsegma, Batdschar und Zula von Mama gewusst hatten, glaube ich, heulte ich, aber ich
sehnte mich nach den zwei Tagen schon unerträglich nach Hause zurück.
    Und dabei war ich damals beim ersten Mal mit Mama gemeinsam dort, später fast immer allein.
    Großmutter sagte, das brauche Zeit. Ich hörte zu, wie sie und Mama sich miteinander unterhielten, und ab da war klar, dass Oma nie was kapieren würde.
    Ich war schon groß genug, um mir im Klaren darüber zu sein, dass das Land nicht wie die Schule war, an die man sich gewöhnen musste, weil die Eltern, wenn die Kinder nicht zur Schule gehen, ins Gefängnis müssen. Wäre ich mit Mama gleich am dritten Tag in die Stadt zurückgekehrt, hätte das niemandem etwas ausgemacht. Ich hatte doch sowieso keinem gefehlt die ganzen Jahre lang, und mir hatte auch niemand gefehlt.
    Ich legte all das Mutter dar, aber Großvater hörte es und schmierte mir eine. Dann bekam auch Mama eine Predigt, so also erziehe man in der Stadt die Kinder, und ich sah Mama zum ersten Mal schwach.
    Im Umkreis des Ger war Mutter jemand ganz anderer. Auf mich wirkte das abstoßend. Wenn Großmutter mir einen Kochlöffel in die Hand drückte, ein Chutag oder einen Tawag mit stinkendem lauem Blut, sah ich zu, wie ich die Aufgabe auf Zula und Tsetsegma abwälzen könnte. Mama gehorchte und verrichtete alle Arbeiten von Großmutter mit ihr gemeinsam.
    Sie begannen mich Dzalchuu zu nennen, aber ich war ja nur hier faul. Es gab hier nichts, was mit mir zu tun hatte. Als ich schon denken konnte, ging ich einfach weg. Ich ließ das Fleisch halb geschnitten und ungesalzen liegen, und die bemalte Gertür fiel mit einem schrillen, vorwurfsvollen Quietschen
für den ganzen Tag hinter mir zu. Das triumphierende Gefühl, wenn sie den Schwanz eines der Nochoi einzwickte, ist unbeschreiblich. Oma konnte mich anschreien, soviel sie wollte. Das klappte bei Mama und Tsetsegma, aber nicht bei mir. Oma stand da und fuchtelte wild mit den Händen, hatte die Brauen ein wenig hochgezogen und über ihr runzliges verschrumpeltes Katzengesicht liefen die Bewegungen tiefer Falten.
    Sie war lächerlich.
    Ich hatte nur in dem ersten Sommer Angst vor ihr, und ich vertraute ihr nie.
    Ihr vertrockneter Kopf auf dem dünnen braunen Hälschen hörte nie auf, rhythmisch zu nicken, genauso wie die rastlosen Hände, die im Ger auch ohne die anderen alles bewältigten. Selten, dass sie nichts in ihnen hielt.
    Nur wenn man abends auf die Männer wartete, die fertige Suppe zufrieden auf dem Herd blubberte und alles bis zum nächsten Morgen getan war, hatte sie die Hände im Schoß liegen. Unschöne Fäustchen wie kleine Knoten. Sogar dann aber wurstelte sie mit den Fingern herum oder rieb sich fröstelnd die Schenkel. Sie gab mir nie Ruhe, und ich sehnte mich nach unserer Wohnung mit den Ecken. Hinter einer Gersäule kann man sich nicht verstecken.
    Oma schenkte Mama nichts. Du Russenweib, sagte sie, wenn sie Mamas hübsche Kleidung sah, und wenn Mama sich am Morgen das Gesicht wusch, knurrte sie, dieses Wasser könnte am Abend eine Kanne Milchtee sein und Mama würde es stattdessen so unnütz verpantschen. Wasser holen ging meistens ich, Großmutter aber beschimpfte Mama, als hätte sie selbst von den Eimern den Rücken voller Schwielen. Batdschar war meistens draußen beim Vieh, aber Tsetsegma
und Zula fürchteten sich vor Großmutter wie vor einem Steppenskorpion. So drückte es Tante Ojuna aus.
    In noch einer Hinsicht verstand ich

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