Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe
und Mama ermahnte mich stets, auf die Schlangen aufzupassen, die, so sagte sie, unter ihnen nisteten.
Manchmal beobachtete ich Mama beim Gehen. Sie ging anders als alle im Ger, leicht und beschwingt, als könnte sie jederzeit vom Boden abheben und sich den Zugvögeln, den Reihern anschließen, wenn sie nicht mehr unter den Ihren weilen wollte. War sie bei den Steinen angelangt, setzte sie sich nicht gleich hin, sondern breitete ein Tuch aus, glättete es mit den Händen und ließ sich erst dann vorsichtig nieder, als trüge sie immer noch feine Strümpfe und wolle sich keine Laufmasche reißen. Wenn Mama kam und ich mich auch gerade zwischen den Steinen aufhielt, schlich ich mich auf Zehenspitzen von hinten an und manchmal gelang es mir, Mama zu überraschen.
Ich packte sie von hinten an den Haaren, zum Zeichen, sie wäre gefangen, und war mir dabei nie sicher, ob sie sich über mich freute oder ob ich zu den anderen gehen sollte. Bisweilen sagte sie aber selbst, ich solle mit ihr zusammen schauen, und half mir, mich hinaufzuschwingen. Ich setzte mich zwar neben sie, begann aber gleich herumzurutschen, über meine
Knie laufende Käfer zu fangen und Mama verschiedene Sachen zu fragen.
Mir hatte das hier nie etwas bedeutet. Nicht einmal jetzt kann ich daran etwas finden.
Mutter besah sich in diesen sandigen grauen Fluren wie in einem Spiegel, und jeder Hügel in den Roten Bergen bedeutete etwas.
Für mich war die Steppe nur eine riesige Platte trockener verhornter toter Haut.
Ich konnte mich hier nirgends in Erinnerungen versenken, weil die sich in der Stadt befanden, und die Stadt lag jenseits der Berge, und wenn Mama mein Gezappel reichte, klebte sie mir eine, und ich flennte, weil es auf dieser versengten Ebene mit Büscheln bleichen Grases wirklich nichts zum Anschauen gab.
Ich trollte mich in Richtung von Großmutters Ger, das scharfe Gras schnitt mir in die Sohlen, und der Abendwind wirbelte dunklen Staub auf.
Das Ger war geduckt wie eine Erdscholle, und ich wusste, dass mich drinnen eine Portion Nudeln, ein schmutziger Topf und die spöttischen Grimassen der zwei Cousinen erwarteten, weil die zwei immer einen Anlass fanden.
Mama rührte sich nicht auf dem Felsblock.
Als Großvater mich am Ende des achten Monats fortbrachte, schnitt ich allen vor dem Ger aufgestellten Weibern aus dem Jeep ein so verächtliches Gesicht wie nur möglich, nur Najma schickte ich ein strahlendes Lächeln und formte aus Daumen und Zeigefingern ein Risunokringlein und drückte es ans Autofenster. Wir waren Verschworene.
Vielleicht habe ich ein bisschen übertrieben. Das fiel mir aber erst viel später ein. Erst als das mit Mutter rauskam. Da war ich sechzehn, Batdschar beim Militär, und die beiden Cousinen hatte ich schon ein paar Jahre nicht gesehen. Großvater war zu der Zeit schon tot. Warum sterben die Guten immer als Erste? Omas hartes Herz schlug noch ein paar Jahre lang, die übrigen Geschwister zu überleben gelang ihr aber nicht. Sich fettes Essen zu versagen schaffte sie einfach nicht, und Najmas Jeep war viel zu langsam, als dass der Doktor im Zentrum noch etwas hätte ausrichten können.
Vielleicht waren sie gar nicht so schlimm. Ich nahm alles ziemlich dramatisch. Als mir zu Bewusstsein kam, womit Mutter ihr Geld verdiente, ließ ich sie stehen. Sie hörte für mich einfach zu existieren auf. Als mir zu Bewusstsein kam, wovon unsere ganze Kleidung und die schön eingerichtete Wohnung im Sansaar bestritten wurden, mit welch klebrigen, verschwitzten Banknoten Mama das alles nach und nach gekauft hatte, knallte ich die Tür hinter mir zu.
Mama saß in der Küche und schrie mich an, ich wüsste nichts vom Leben, sie hätte sich nur für mich geschunden und erniedrigt, würde aber von morgen an alles ändern, weil was anderes zu machen absolut kein Problem sei, sie gäbe mir ihr Wort darauf. Sie war betrunken, verhaspelte sich beim Reden, und als ich schon auf dem Gang stand, hörte ich, wie der Hocker umfiel und Mama böse gestürzt sein musste, weil sie ein ordinäres Schimpfwort nach dem anderen auszuspeien begann, aber solche, die noch nicht einmal die Männer in den billigen Spelunken gebrauchen.
Ich ging sofort zu Otschir.
Hätte es ihn nicht gegeben, hätte ich mir nicht erlauben können, so die Tür zuzuknallen.
Ich konnte nichts, und mich in den Straßen herumzutreiben kam für mich nicht in Frage.
Schmutzig sein und irgendwo für das Waschen einer Auslage ein Stück Brot erbetteln, in Kanälen
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