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Kuschelmuschel

Kuschelmuschel

Titel: Kuschelmuschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Dahl
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warum sie da waren, sich so sonderbar verhielten, weil sie eine unangenehme Pflicht zu erfüllen hatten.
     
«Mrs. Cooper», hörte sie den einen sagen, und an der Art, wie er es sagte sanft und behutsam, als müsse er ein krankes Kind trösten -, erkannte sie sofort, dass er ihr etwas Schreckliches mitteilen wollte. Eine Woge panischer Angst schlug über ihr zusammen, und sie fragte: «Was ist passiert? »
     
«Mrs. Cooper, wir müssen Ihnen mitteilen... »
     
Der Polizist hielt inne.
     
Die Frau, die ihn nicht aus den Augen ließ, hatte das Gefühl, dass ihr ganzer Körper schrumpfe und schrumpfe und immer weiter schrumpfe.
     
«... dass Ihr Mann heute nachmittag um 17 Uhr 45 auf dem Hudson River Parkway einen Unfall hatte und noch im Krankenwagen verstorben ist... »
     
Der Polizist, der gesprochen hatte, zog die Krokobrieftasche heraus, die sie Ed vor zwei Jahren zu ihrem zwanzigsten Hochzeitstag geschenkt hatte. Als sie danach griff, ertappte sie sich dabei, dass sie überlegte, ob das Leder wohl noch warm sei, weil es doch noch vor so kurzer Zeit so nahe an Eds Brust gelegen hatte.
     
«Wenn wir Ihnen irgendwie behilflich sein können...», sagte der Polizist. «Vielleicht telefonieren, damit jemand kommt... Freunde oder Verwandte... »
     
Anna hörte, wie seine Stimme immer leiser wurde und schließlich nicht mehr zu vernehmen war. Und in diesem Augenblick musste sie wohl zu schreien begonnen haben. Kurz darauf wurde sie regelrecht hysterisch, und beide Polizisten hatten alle Hände voll zu tun, um ihrer Herr zu werden, bis ihr vierzig Minuten später der Hausarzt eine Injektion verabreichte.
     
Als sie am nächsten Morgen aufwachte, ging es ihr jedoch keineswegs besser. Weder der Arzt noch ihre Kinder konnten vernünftig mit ihr reden. Man musste sie während der nächsten paar Tage fast ständig unter Beruhigungsmitteln halten, sonst hätte sie sich zweifellos umgebracht. In den kurzen Wachperioden zwischen den Drogen-Gaben war sie wie eine Wahnsinnige, rief ununterbrochen nach ihrem Mann und sagte ihm, sie werde ihm nachfolgen, sobald sie könne. Es war entsetzlich, ihr zuzuhören. Um ihr Verhalten verständlicher zu machen, sollte hier jedoch sogleich gesagt werden, dass der Ehemann, den sie verloren hatte, keineswegs ein gewöhnlicher Ehemann gewesen war.
     
Anne Greenwood hatte Ed Cooper geheiratet, als sie beide achtzehn gewesen waren, und in den Jahren, die sie zusammen gelebt hatten, waren sie einander immer nähergekommen und in einem Maße voneinander abhängig geworden, dass man es mit Worten nicht beschreiben kann. Mit jedem Jahr, das vorüberging, wurde ihre Liebe inniger und überwältigender, und zuletzt hatte sie fast schon groteske Maße angenommen, so dass beide zum Beispiel die tägliche Trennung kaum noch ertragen konnten, wenn Ed morgens ins Büro fahren musste. Kehrte er am Abend heim, lief er durchs ganze Haus, um sie zu suchen, und sie ließ alles sofort stehen und liegen, um ihm entgegenzueilen, sobald sie die Haustür ins Schloss fallen hörte. Wenn sie sich dann trafen, sei es auf halber Treppe, auf dem Treppenabsatz, oder auf halbem Wege zwischen Küche und Diele, nahm er sie in die Arme, um sie minutenlang an sich zu drücken und so innig zu küssen, als hätten sie erst tags zuvor geheiratet. Es war wunderbar. Es war so einmalig, so unglaublich wunderbar, dass man beinahe verstehen kann, warum sie keine Lust und keinen Mut mehr hatte, weiter in einer Welt zu leben, in der es ihren Mann nicht mehr gab.
     
Ihre drei Kinder, Angela (20), Mary (19) und Billy (17 ½), blieben seit der Katastrophe ständig um sie herum. Sie liebten ihre Mutter heiß und taten alles, um sie am Selbstmord zu hindern. Liebevoll gaben sie sich alle Mühe, sie davon zu überzeugen, dass das Leben trotz allem lebenswert sein konnte. Ihnen allein war es zu verdanken, dass sie sich endlich doch aus ihrem Alptraum befreite und langsam in die Alltagswelt zurückfand.
     
Vier Monate nach dem unglückseligen Tag erklärten die Ärzte, sie sei nun wohl «einigermaßen außer Gefahr», und Anna war in der Lage, wenn auch voll Resignation, für ihre Kinder den Haushalt zu führen, einzukaufen und zu kochen.
     
Doch was geschah dann?
     
Noch ehe der Winterschnee geschmolzen war, heiratete Angela einen jungen Mann von Rhode Island und ließ sich am Stadtrand von Providence nieder.
     
Wenige Monate später heiratete auch Mary. Sie heiratete einen blonden Riesen aus Slayton, einer Stadt in Minnesota, und

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