Kuss des Feuers
Kehle aufstieg und nur von der Angst zurückgehalten wurde, die all ihre Muskeln verkrampfte. Miranda trat einen Schritt näher. Plötzlich kam etwas auf sie zugerast, das entschlossen war, sich auf sie zu stürzen.
Voller Entsetzen drehte sie sich um und stieß mit etwas Großem und Dunklem zusammen. Das Wesen packte ihre Arme, und sie schrie auf. Sie schlug um sich und wurde nach vorn gerissen.
Ihr Körper erkannte ihn, ehe es ihr Kopf tat. Archer. Ihre Hände umklammerten seine Aufschläge, während Archers Arme sich um sie schlangen.
»Archer.« Als sie wieder Luft bekam, versetzte sie seiner Brust einen unsicheren Schlag mit der Faust. »Gütiger Himmel, du hast mir vielleicht einen Schrecken eingejagt.« Doch als sie sich von ihm lösen wollte, hielt er sie fest, wobei seine große Hand ihren Hinterkopf umfasste.
»Es tut mir leid«, sagte er. Da erst spürte sie seinen rasenden Herzschlag an ihrer Wange. »Ich dachte, ich hätte etwas gehört …« Er lehnte sich zurück, um sie anzusehen, doch sein Körper blieb angespannt, bereit, bei Gefahr sofort zu reagieren. »Irgendetwas stimmt hier nicht. Das spüre ich.«
Sie blickte zu der offenen Tür, und ein Schauer lief ihr über den Rücken. »Ich auch«, flüsterte sie.
»Wir gehen«, sagte Archer. »Jetzt.« Er ließ ihr keine Gelegenheit, Einwände zu erheben, sondern zog sie einfach die Treppe hinunter. Miranda war nur allzu bereit, ihm zu folgen. Bei jedem Schritt spürte sie, wie sich der Blick unsichtbarer Augen in ihren Rücken bohrte.
Archer führte sie nach unten zur Hintertür. Zusammen verließen sie das Haus durch den Dienstboteneingang. Der Landauer mit dem Vierergespann wartete mit geschlossenem Verdeck in der Auffahrt, die dunklen Pferde schimmerten blau im hellen Mondlicht. Archer half ihr in die Kutsche. Eine Decke aus Zobelfell und eine heiße Wärmflasche lagen auf dem Sitz bereit, und dankbar für die Wärme kuschelte sie sich hinein. Archer wollte ihr gerade in die Kutsche folgen, als ein lautes Scheppern durch den Hof schallte. Sie zuckten zusammen, doch ein Lakai, der in der Nähe stand, überblickte die Situation als Erster.
»Das war bestimmt Henrietta«, sagte er und sah zu einer kleinen Frau, die sich neben der Küchentür über eine heruntergefallene Kiste mit Gläsern beugte. »Eins von den Dienstmädchen. Sie ist ein bisschen dumm.«
Miranda hörte ersticktes Schluchzen, während die arme Frau versuchte, ihre schwere Last wieder einzusammeln.
Archer sprang vom Treppchen der Kutsche herunter. »Ich bin gleich wieder da.«
Der Lakai folgte ihm zögernd. Miranda sah Archer hinterher und saugte seinen raubtierhaften Gang in sich auf.
Als plötzlich eine Peitsche knallte und von oben ein schriller Ruf ertönte, zuckte sie zusammen. Als die verängstigten Pferde losrasten, vollführte die Kutsche einen Satz nach vorn, und Miranda wurde in die Polster geschleudert. Zappelnd versuchte sie sich wieder aufzurichten und hörte Archer gedämpft ihren Namen rufen. Doch ein anderer, viel schlimmerer Laut vom Kutschbock übertönte seinen Schrei – das Gackern desselben Unholds, der versucht hatte, sie im Museum zu töten.
Ihre Finger gefroren zu Eis, doch ein Funke der vertrauten Hitze entzündete sich in ihrem Bauch.
Ich werde ihn umbringen
, ging ihr mit völliger Klarheit durch den Kopf.
Ich werde ihm die Knochen verkohlen für das, was er dem armen Cheltenham angetan hat.
Aber sie hatte keine Möglichkeit dazu, während sie in der Kutsche saß.
»Miranda!«
Sie drehte sich zum rückwärtigen Fenster um. Archer rannte die Auffahrt entlang hinter ihr her. Doch sein Versuch, sie einzuholen, war zum Scheitern verurteilt, denn die Kraft vier starker Pferde, die fast galoppierten, vergrößerte den Abstand immer mehr. Er riss seine äußere Maske herunter, ohne dabei langsamer zu werden. Doch die Hoffnungslosigkeit, die sie eben noch erfüllt hatte, wandelte sich in Erstaunen, als sie ihn beim Rennen beobachtete und sah, dass sich seine langen Beine mit einer Geschwindigkeit bewegten, zu der eigentlich kein Mensch in der Lage sein sollte. Archer verringerte den Abstand. Er kam immer näher. Der teuflische Kutscher trieb die Pferde mit der Peitsche an, und das Gefährt fuhr immer schneller.
Archer wurde ebenfalls schneller, und mit einem langen Satz, der die Kutsche zum Wanken brachte, landete er auf dem Trittbrett. Von dort sprang er auf das Dach und warf sich ächzend auf den Unhold. Unter seinem Gewicht gab das Verdeck aus
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