Kusswechsel
den roten Teufel gar nicht fassen. Er schießt auf unschuldige Menschen. Soll sich die Polizei mit dem Problem herumschlagen.«
»Mann, was ist denn mit dir los? Seit neuestem soll bei dir alles die Polizei regeln.«
»Ich setze Kautionsbedingungen durch. Weiter reichen meine Befugnisse nicht.«
»Wir brauchen ihn ja nicht gefangen zu nehmen. Ein paar Ermittlungen würden schon reichen. Du weißt schon: Ein bisschen in seinem Viertel rumkutschieren. Mit den Leuten reden. So könnten wir herausfinden, wer sich hinter dem roten Teufel verbirgt. Nur du weißt, wie er aussieht.«
Ich Glückspilz. »Erstens weiß ich gar nicht, wo der rote Teufel wohnt. Deswegen können wir schlecht in seinem Viertel herumkutschieren. Und falls dir das noch nicht reicht: Selbst wenn wir herausfänden, in welchem Viertel er wohnt, und wir würden den Leuten Fragen stellen – es würde doch kein Arsch mit mir reden.«
»Gut. Aber mit mir würden sie reden. Mit mir redet jeder. Ich bin eine einnehmende Person. Und ich sehe so aus, als wäre ich in so einem gangverseuchten Viertel zu Hause.«
Lula kramte in ihrer großen schwarzen Lederhandtasche, holte ihr Handy hervor und wählte eine Nummer.
»He«, sagte sie, als die Leitung stand. »Hier ist Lula. Ich brauche nur ein paar Informationen.« Pause. »Darauf kannst du einen lassen«, sagte sie. »Das mache ich nicht mehr.«
Wieder eine Pause. »Das mache ich auch nicht mehr. Und das Letztere schon gar nicht. Das ist widerlich. Hörst du mir nun zu oder nicht?«
Sie unterhielten sich noch drei Minuten lang, dann steckte Lula das Handy wieder in die Handtasche.
»Also. Ich habe das Revier etwas eingrenzen können. Die Slayers halten sich zwischen der Third und der Eight Street auf, die von der Comstock abgehen. Und die Comstock trennt nur ein Häuserblock von der Stark«, sagte Lula. »Ich bin da früher auf den Strich gegangen. Meine Ecke war eine Kreuzung auf der Stark. Aber ich hatte auch viele Kunden von der South Side. Das Geschäft lief damals gar nicht so schlecht. Das war, bevor die Gangs aufgekommen sind. Wie wär’s: Wir lümmeln mal rüber und gucken uns um.«
»Das halte ich für keine gute Idee.«
»Es kann uns nichts Schlimmes passieren. Wir sind im Auto. Wir fahren nur durch. Wir sind hier nicht in Bagdad. Am Tag lassen sich die Gangs sowieso nicht blicken. Die sind wie Vampire. Die kommen nur nachts raus. Tagsüber ist es auf den Straßen absolut sicher.«
»Das stimmt nicht.«
»Willst du damit sagen, dass ich dir hier einen vom Pferd erzähle?«
»Ja.«
»Na gut, vielleicht ist es nicht absolut sicher. Aber wenn man mit dem Auto durchfährt, ist es einigermaßen sicher. Was kann einem im Auto schon passieren?«
Uns passierte andauernd irgendwas. Komische Sachen, die nicht normal sind. Lula und ich sind nämlich das Komikerduo Abbott und Costello des Gesetzesvollzugs.
»Jetzt komm schon«, sagte Lula. »Ich habe keine Lust, zurück ins Büro zu gehen und Ablage zu machen. Lieber fahre ich mit dir durch die Hölle als Ablage machen.«
»Also gut«, seufzte ich. »Fahren wir einmal kurz durch.«
Abbott und Costello waren nicht gerade die hellsten Köpfe, immer bauten sie irgendwelchen Mist, so wie das, was wir jetzt vorhatten. Um es auf den Punkt zu bringen: Ich hatte ein schlechtes Gewissen wegen Eddie Gazarra. Er war angeschossen worden, weil ich unüberlegt gehandelt hatte. Ich hatte etwas wettzumachen. Und außerdem hatte Lula wahrscheinlich Recht: Wir brauchten nur einmal das Viertel der Slayers zu durchstreifen, und wer weiß, vielleicht hatten wir ja Glück. Wenn ich den roten Teufel sehen würde, könnte die Polizei vielleicht den Kerl schnappen, der auf Eddie geschossen hatte.
Ich nahm eine Abkürzung durch die City und bog in die Stark Street ein. Es fing schon mies an und wurde immer mieser. Mit jedem Häuserblock nahmen die Gang-Graffitis zu. In Höhe der Third Street waren die Gebäude bereits voller Slogans und Tags. Die Bürgersteige und die Straßenschilder waren besprüht, die Fenster im Erdgeschoss mit Bügelschlössern aus Eisen versehen, und die Kneipen und Leihhäuser versteckten sich hinter teilweise geschlossenen Sicherheitsschleusen. An der Third bog ich rechts ab und fuhr den einen Häuserblock bis zur Comstock durch. Abseits der Stark gab es noch weniger Geschäfte, und die Straße verengte sich. In der Comstock parkten Autos auf beiden Seiten, so dass es eng wurde, wenn ein Wagen entgegenkam. An einer Straßenecke lungerten
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