Lacunars Fluch, Teil 3: Wüstensöhne
Fächer blieben offen.
»Zarad sei Dank!«, stöhnte Caelian. »Und was war es nun?«
»Wir mussten es gemeinsam tun. Darin liegt das Geheimnis. Wir haben die Steine gleichzeitig niedergedrückt.«
»Was bedeutet, dass einer allein nichts bewirken kann«, folgerte Caelian.
»So ist es. Gemeinsames Handeln bewirkt Vereinigung. Es beseitigte das Trennende, es betonte das Verbundene. Die beiden waren Feinde im Leben, und uns war es bestimmt, sie im Tode zusammenzuführen.«
»Eine sinnreiche Konstruktion. Aber die Löcher in der Decke – sie waren nicht gerade hilfreich.«
»Weil der Sand der Düne sie verstopft hat. Ursprünglich werden es Lichtstrahlen gewesen sein, die die beiden Sarkophage zu gewissen Zeiten beleuchteten.«
»Zarad! Du hast recht. Ich dachte, wir Mondpriester seien die Schlauesten.«
Jaryn lächelte huldvoll. »Wir haben im Sonnentempel etwas Ähnliches.«
»Wenn du mich fragst, ich möchte jetzt hier raus. Ich bekomme kaum noch Luft.«
»Ja, es ist sehr stickig geworden. Die Fackeln verschlechtern die Luft.«
Sie zogen ihre Burnusse aus und wickelten die Schriften darin ein. Dann eilten sie zurück in den Schacht, warfen noch einen flüchtigen Blick auf die fünf Krüge, seufzten kurz und stiegen die schmale Treppe hinauf. Sie brauchten eine Stunde, bis sie die offene Luke erreichten und wieder frei atmen konnten. Nach Luft ringend blieben sie stehen und hielten Ausschau nach dem Esel. Laila war nicht mehr da. Das bedeutete, sie mussten mitsamt den Satteltaschen und den Schriften zum Teich zurückmarschieren. Das war keine erfreuliche Aussicht. Deshalb warteten sie noch mit dem beschwerlichen Abstieg von der Düne.
»Wenn wir schon ausruhen, lass uns gleich einen Blick auf die Pergamente tun«, sagte Caelian.
Unter den Schriftrollen befand sich auch ein kleines Buch, jedenfalls sah es so aus. Es bestand aus mehreren zusammengehefteten Blättern. Das legte Caelian erst einmal beiseite. Vorsichtig, aber gespannt öffneten sie die Pergamentrollen. Doch ihre Enttäuschung war groß, denn die Schrift war ihnen unbekannt. Hastig entrollten sie die anderen, aber es befand sich nicht eine in ihrem Schatz, die sie entziffern konnten.
»Es muss eine Geheimschrift der Priester sein«, sagte Caelian, »die heutzutage niemand mehr kennt.«
»Das wollen wir nicht hoffen. Wir zeigen die Schriften Anamarna. Der wird wissen, was zu tun ist.«
Caelian besah sich daraufhin das kleine Buch, aber er konnte nur einen Namen entziffern: Phemortos. Der Rest war ihm verschlossen. »Und nun? Welche Erkenntnis haben wir gewonnen?«
»Dass Zarador existiert. Und dass die Priester schon damals schlaue Kerlchen waren. ›Was war, wird wieder sein‹, hat Anamarna einmal gesagt. Vielleicht wird Zarador einstmals in alter Herrlichkeit erstrahlen. Vielleicht wird ein Sturm kommen, der den Sand von ihren Ruinen fegt und neue Gedanken gebiert.«
Caelian erhob sich. »Lass uns doch einmal nachsehen, was sich auf der anderen Seite der Düne befindet. Ihr Kamm zieht sich bis zu den roten Felsen.«
»Keinen Gewaltmarsch bitte. Ich möchte meinen Wasserschlauch auch gern einmal wiedersehen.«
Ob es sich um eine Senke, einen Berg oder eine Wegbiegung handelte: Caelian gehörte zu den Menschen, die immer wissen mussten, was sich dahinter befand. Jaryn befürchtete endlose Sandberge, aber er wollte Caelian nicht allein gehen lassen.
Sie wickelten die Schriftrollen in ihre Mäntel, bedeckten sie mit Sand, damit der Wind sie nicht fortwehen konnte, und marschierten auf dem Dünenkamm entlang. Die Aussicht war atemberaubend, aber sie hatten inzwischen genug Wüste gesehen. Caelian stapfte voran. Ihn trieb die Neugier, Jaryn war nüchterner. In einiger Entfernung beschrieb der Kamm eine linke Kurve. Jaryn seufzte, denn er wusste, dass Caelian diese bestimmt noch einsehen wollte.
Aber dann ist Schluss
, schwor er sich.
Caelian war bereits hinter der Biegung verschwunden. Als Jaryn sie erreichte, sah er Caelian ein paar Schritte auf ihn zu kommen und heftig winken.
»Ich habe Thorgans Männer gesehen!«, rief er so leise wie möglich. »Komm, du wirst kaum glauben, was da unten geschieht. Aber lege dich hin, sonst sehen sie uns.«
Die Düne fiel an dieser Stelle ziemlich steil ab. Jaryn und Caelian rutschten vorsichtig nach vorn und blickten über den Rand. In schwindelnder Tiefe konnten sie Männer dabei beobachten, wie sie Ruinen von Sand freischaufelten. Die Ruinen von Zarador! Allerdings handelte es sich nur um
Weitere Kostenlose Bücher