Lacunars Fluch, Teil 3: Wüstensöhne
gehört hatte. Doch er wurde nicht vom König empfangen. Wohl wurde er nicht in einem Kerker, sondern in einem Gästezimmer untergebracht, aber ansonsten mit Nichtachtung gestraft. Es beunruhigte ihn nicht, es ärgerte es ihn. Auch wusste er nicht, wie lange man ihn auf den Prozess warten lassen wollte. Seine Freunde konnten ihm hierzu keine Auskunft geben.
In Jawendor war für die unterschiedlichen Verfahren jeweils ein anderer Richter vorgesehen. Als Mitglied der Aristokratie und als Statthalter des Königs war für ihn Jarmal zuständig. Der Gerichtssaal war ein kleiner Raum, schmucklos und nur mit dem Notwendigsten versehen. Es gab eine Richterbank, Stühle für den Angeklagten, für die Zeugen und für die Rechtsgelehrten. In diesem Fall hatte man sich auf einen beschränkt, der bereits im Prozess gegen Rastafan eine Rolle gespielt hatte: Sangor. Unter Doron war er als königstreu bekannt gewesen, unter Rastafan hatte sich das geändert.
Noch einen weiteren Sitz gab es im Gerichtssaal. Er befand sich am Rande, und der Stuhl unterschied sich von den anderen nur dadurch, dass ein Kissen mit dem Wappen Jawendors darauf lag. Es war der Platz des Königs. Er konnte an dem Verfahren teilnehmen, musste aber nicht. Rastafan wollte es. Allerdings war es nicht üblich, dass der König selbst in das Geschehen eingriff. Das geschah nur, wenn es Angelegenheiten der Krone betraf, unter anderem Hochverrat.
Taymar hatte nicht lange warten müssen. Schon für den nächsten Tag war das Verfahren anberaumt worden. Das wertete er zu seinen Gunsten. Der König war natürlich beschäftigt und würde sich ihm nach dem Urteilsspruch widmen. Als er den unfreundlich wirkenden Raum betrat, löste das bei ihm schon ein wenig Befremden aus, doch als er sich umsah, erblickte er nur bekannte Gesichter, die ihm zunickten. Ein Diener führte ihn zu seinem Stuhl, der sich schräg rechts von der Richterbank befand. Hinter dieser saß Richter Jarmal, grauhaarig, dürr und gelangweilt. Neben ihm Sangor, der lustlos in einigen Unterlagen blätterte, und ein Schreiber für das Protokoll.
Auf einer Bank im Hintergrund hatten Achhardin und Sariera Platz genommen, um dem Prozessverlauf zu folgen. Links von dem Angeklagten standen drei Stühle, auf denen zwei Männer und eine Frau Platz genommen hatten: die Zeugen. Nun waren alle versammelt, nur einer fehlte noch. Und dann kam er: Rastafan trug eine turbanähnliche mit Edelsteinen geschmückte Kopfbedeckung, die sein langes Haar vollständig bedeckte. Dazu ein mantelähnliches Gewand aus dunkelblauem Samt mit weiten Ärmeln, das mit Sonnen und Monden bestickt war. Es funkelte wie der Nachthimmel selbst. Ein kostbares Stück, das Frantes für ihn unter der Garderobe Dorons herausgesucht hatte.
Mit gemessenen Schritten kam Rastafan herein, grüßte nickend in die Runde und nahm wortlos auf seinem Stuhl Platz. Taymar hatte er keines Blickes gewürdigt, und dieser hatte es ärgerlich zur Kenntnis genommen. Dennoch musste er sein Urteil über den König revidieren. Er machte, zumindest nach außen, eine ausgezeichnete Figur.
Nachdem Rastafan Platz genommen hatte, erhob sich Sangor und rief: »Die Verhandlung gegen den ehrenwerten Taymar, Statthalter von Caschu, hat begonnen.« Dass er einen Angeklagten als ehrenwert bezeichnete, schien keinen zu kümmern.
Jetzt erhob der Richter Jarmal seine Stimme: »Ich stelle fest, dass drei Zeugen anwesend sind. Die Namen sind dem Gericht bekannt.« Er erwähnte nicht, ob die Zeugen für oder gegen den Angeklagten aussagen wollten. »Ich lese jetzt die Anklagepunkte vor: Taymar, Statthalter der Provinz Caschu, wird beschuldigt, sich an dem Besitz seiner Untertanen bereichert zu haben. Er soll zu viele Steuern erhoben und den Leuten, die nicht zahlen konnten, Haus und Hof genommen haben. Selbige soll er dann als Knechte und Mägde ohne Bezahlung bei sich beschäftigt oder sie wie Sklaven an andere Provinzen verkauft haben. Die Frauen und Mädchen, wenn sie ansehnlich waren, mussten ihm angeblich zu Willen sein. Wurden sie schwanger, behielt er ihre Kinder als Sklaven. Er soll sich des weiteren auch an Knaben und jungen Männern vergangen haben. Alte und kranke Knechte und Mägde erhielten keine Pflege, sondern wurden fortgejagt.«
Der Richter stieß schnaufend die Luft aus, als könne er so viele Schandtaten nicht verkraften. Doch nicht die Taten erschienen ihm ungeheuerlich, sondern dass man einen Mann wie Taymar ihretwegen anklagte.
Wieder erhob sich Sangor.
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