Lady Helenes skandaloeser Plan
mich nehmen muss, behagt mir gar nicht.«
Was Rees Darby allerdings nicht erzählte, war, dass er nicht nur um Helenes, sondern auch um seiner selbst willen auf den Ball ging. Denn wer würde schon mit Helene schlafen wollen? Sicherlich wäre es eine herbe Demütigung, wenn sie erkennen musste, dass Gentlemen sich für einen Flirt einen drallen Körper und einen einladenden Blick wünschten und nicht eine steife Vogelscheuche mit hoch aufgetürmter Zopffrisur … kurz, eine Heilige mit entsprechender Reputation. Sicher, im letzten Sommer hatte Helene es irgendwie erreicht, Fairfax-Lacy zum Liebesspiel zu verleiten, doch er hatte sie binnen weniger Wochen verlassen und eine andere geheiratet. Das war für Helene gewiss ein herber Schlag gewesen.
Es war schon beinahe komisch, dass er sich zwar schuldig, aber auch als Beschützer seiner Frau fühlte. Vielleicht war es tatsächlich ihm anzulasten, dass Helene so leichtfertig danach trachtete, ihren guten Ruf zu zerstören. Würden sie noch zusammenleben, dann hätte sich die Frage nach einem Kind schon vor Jahren auf normalem Wege erledigt. Und obgleich sie einander so entfremdet waren, wollte Rees auf keinen Fall erleben, dass seine Frau auf dem Ball brüskiert wurde. Sie war ja kein Aschenputtel mit einer Fee als Patin, die im Hintergrund die Fäden zog.
Er würde eben seinen eigenen Zauberstab schwingen müssen. Rees ertappte sich bei einem Grinsen und beschloss, Darby diesen zweideutigen Witz zu verschweigen. Sie waren nie die Art Freunde gewesen, die einander derbe Witze erzählten und sich darüber vor Lachen ausschütteten. Außerdem kam es ihm in Bezug auf seine Ehefrau reichlich unhöflich vor.
7
Unterkleidung wird viel zu hoch bewertet
Helene war nicht sicher, ob sie dazu fähig war. Halb nackt in einem verschwiegenen Ankleidezimmer zu stehen, während Esme, Monsieur Olivier und Madame Rocque begeistert Beifall spendeten, mochte ja noch angehen. Etwas ganz anderes aber war es, in der Öffentlichkeit in einem Kleid zu erscheinen, das wenig mehr verhüllte als ein Nachthemd. Obwohl die untere Lage Seide ein wenig dunkler eingefärbt war als die obere, war doch jede für sich gesehen durchsichtig. Helenes Körper wurde regelrecht zur Schau gestellt. Die Seide war so dünn, dass sie einerseits eng anlag und andererseits aufflatterte und ihre intimsten Stellen nur noch spärlich bedeckte.
Zum Glück war ihre Mutter nicht in der Stadt, sondern zu Besuch bei Freunden in Bath. Helene konnte sich nur allzu gut vorstellen, wie sie auf Madame Rocques Kleid reagiert hätte. Sie hätte ihre Tochter lieber im Weinkeller eingesperrt, als sie in diesem Aufzug unter die Leute gehen zu lassen. Das Kleid kaschierte auch nicht ihre zu kleinen Brüste, sondern betonte diesen Makel noch. Mit heftigem Erröten dachte Helene an den einzigen Menschen, der sie als Frau nackt gesehen hatte: Beim Anblick ihrer Brüste war Rees in schallendes Lachen ausgebrochen.
Und dieses Gelächter war nur der Anfang einer katastrophalen Nacht gewesen. Sie waren zwar auf dem Weg nach Gretna Green gewesen, hatten aber in einem Gasthof übernachtet, da Rees der Meinung war, Helenes Vater werde sich nicht die Mühe machen, ihnen zu folgen. Und natürlich hatte er recht. Es kam schließlich nicht alle Tage vor, dass die eigene Tochter mit dem Erben eines Grafentitels durchbrannte, und Helenes Vater saß vermutlich zu Hause und tat sich an Champagner gütlich, während seine Tochter in einem Schlafgemach wartete und vor Anbetung ihres Beinahe-Ehemannes schier verging.
Sie hatte endlos lange gewartet. Rees hatte offenbar beschlossen, erst noch in der Taverne herumzulungern. Als er dann endlich auftauchte, musste er sich am Türrahmen festhalten. Sie hatte gekichert, es ungeheuer romantisch gefunden. Rees konnte in ihren Augen einfach nichts falsch machen – doch nicht dieser große, schöne Mann, der die Musik ebenso sehr liebte wie sie. Als er sie küsste, hörte sie im Geiste Händels Arien – sehnsuchtsvolle, schmerzlich schöne Melodien, die bis in ihre Fingerspitzen flossen.
Rees’ Küsse mochten zwar an Händel erinnern, doch der eigentliche Akt ähnelte eher der
Beggar’s Opera
. Denn nachdem er ihr das Kleid abgestreift hatte, bog er sich vor Lachen und fragte schließlich prustend, ob ihre Brüste vielleicht beim letzten Regenschauer verdunstet seien. Und eine Stunde später wurde es überdeutlich, dass auch der Rest ihres Körpers nicht für das Eheleben geschaffen war. Schaudernd
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