Lady Helenes skandaloeser Plan
recht!«
»Und ich habe ihm erzählt«, fuhr Rees fort und musterte sie mit einem grimmigen Blick, der bis in die tiefsten Winkel ihrer Seele zu dringen schien, »dass er sich keine Vorstellung davon macht, wie sehr du dir ein Kind wünschst. Oder sollte ich dich unterschätzt haben, Helene?«
»Du bist ja verrückt«, sagte sie und stand auf. »Du warst immer schon ein bisschen merkwürdig, aber jetzt bist du vollkommen wahnsinnig geworden. Eigentlich bin ich ganz froh, dass wir gestern kein Kind zustande gebracht haben. Denn ich lege keinen Wert darauf, meinen Kindern Irrsinn zu vererben.«
»Wir haben nicht …?«, fragte er, sie anstarrend. »Und das weißt du
jetzt
schon?«
»Ja«, sagte Helene und erwiderte seinen zornigen Blick. Ihr Schock hatte sich in Wut, dann in Verzweiflung und nun wieder in Wut verwandelt. Dennoch gewann ihr Verstand allmählich wieder die Oberhand. Er bluffte. Es musste ein Bluff sein. Denn eigentlich lag es nicht in Rees’ Natur, so grausam – ja, beinahe niederträchtig – zu sein.
Er packte ihren Arm und hinderte sie daran, das Zimmer zu verlassen. »Wie
sehr
wünschst du dir ein Kind, Helene?«
»So sehr, dass ich bereits seine Ähnlichkeit mit dir akzeptiert hatte«, erwiderte sie kühl. »Und so sehr, dass ich weiß, du bist nicht der einzige Mann, der eines zeugen kann.«
»Du würdest dein ungeborenes Kind dazu verdammen, ein Bastard zu sein. Eines Tages wird sie dich hassen, dann nämlich, wenn sie niemand anderen heiraten kann als den Rinderhirten des Dorfes. Machen wir uns doch nichts vor! Wir beide möchten nicht Tür an Tür leben. Oder würdest du wollen, dass ich dein Zimmer zu jeder Tages- und Nachtzeit betrete und zu dir ins Bett schlüpfe?«
»Auf keinen Fall!«, fauchte sie ihn an.
»Genau. Das Zimmer im zweiten Stock ist jedenfalls größer als das frühere Schlafzimmer von Mutter. Du kannst sogar ein Klavier hineinstellen.«
»Darum geht es nicht! Ich will keine Sekunde mit deiner Dirne unter einem Dach verbringen. Das sollte eigentlich sonnenklar sein, selbst einem so
einfühlsamen
Menschen wie dir.«
»Na schön«, lenkte er ein. »Wir schließen einen Kompromiss. Du wohnst im Haus, bis du empfangen hast. Du kannst heimlich zu mir kommen, damit es keinen Skandal gibt. Und dann kannst du dein Kind woanders großziehen. Zum Beispiel hier, im Haus deiner Mutter, wenn du das willst. Ich werde dir jedenfalls nicht mehr hinterherlaufen und meine Hose in aller Öffentlichkeit ablegen.«
»Du könntest ja gelegentlich hier vorbeischauen.«
»Ich werde ganz gewiss keine Zeit damit verschwenden, zu Bällen zu flitzen und das Haus meiner Schwiegermutter zu frequentieren, um meine eigene Ehefrau zu sehen. Ich habe zu arbeiten.«
»Ich hüpfe auch nicht von Ballsaal zu Ballsaal!«, gab Helene zurück. »Du weißt so gut wie ich, dass ich die meiste Zeit am Klavier sitze. Du könntest herkommen.«
»Mir ist übrigens eine Anzeige für Arrangements von Beethovens Klaviersonaten aufgefallen, gesetzt für vier Hände, von einem gewissen Mr H . G.«, sagte Rees interessiert. »Sind das die Stücke, an denen du letztes Frühjahr gearbeitet hast?«
Helene nickte. »Im Augenblick bin ich mit der Komposition eines Walzers beschäftigt«, erzählte sie. »Rees, es war ein äußerst anregendes Gespräch, doch jetzt muss ich wirklich …«
»Ich brauche dich, Helene.«
»
Was?
«
»Ich brauche deine Hilfe.« Er sagte es stockend, mit der Miene eines Mannes, der seit dem zarten Alter von elf Jahren nicht mehr um Hilfe gebeten hatte. »Ich muss für die kommende Saison eine Oper auf die Bühne bringen und habe erst ein paar Lieder geschrieben, die hörenswert sind. Im Grunde hätte ich heute gar nicht aus dem Haus gehen dürfen.«
»Das sieht dir aber gar nicht ähnlich. Ich dachte, du würdest dieses komische Zeug wie Spülwasser ausspucken.«
An seinem Kiefer zuckte ein Muskel. »Glaub mir, Helene, das Zeug, das ich zurzeit komponiere, ist schlimmer als Spülwasser.«
Er begegnete ihrem Blick mit dem wohlbekannten Aufflammen von Sturheit und Zorn, doch es lag auch noch ein anderer Ausdruck darin. Eine flehentliche Bitte? Helene legte die Stirn in Falten. »Du brauchst meine Hilfe? Wie sollte ich dir denn helfen können?«
»Ich habe gedacht, wir könnten einen Handel machen. Du bist ja mit den Jahren immer besser geworden, während ich meinen Schwung verloren habe.« Er wusste nicht, wie er es besser ausdrücken sollte. »Wenn du mir hilfst, meine Partitur
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