Lady Helenes skandaloeser Plan
spielbar zu machen, würde ich mich erkenntlich zeigen.« Es war schon deutlich, in welcher Weise.
Helene spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. »Das ist … das ist …«, stotterte sie. »Auf keinen Fall!«
Er wandte sich ab, fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Na schön.«
Helene betrachtete ihn argwöhnisch. Rees gab so leicht auf? Dann brauchte er ihre Hilfe nicht so dringend. Und hielt er sie wirklich für die bessere Komponistin?
»Wenn du ungefähr neun Monate warten kannst, nämlich bis nach der Uraufführung meiner Oper, dann komme ich zu dir, wann immer du willst«, sagte er unendlich müde.
»Warum tust du es nicht gleich?«
»Es geht wirklich nicht.« Er schaute aus dem Fenster, dann blickte er sie wieder an. »Ich bleibe stecken, Helene. Ich plage mich mit den verdammten Melodien ab, und jedes Mal, wenn ich versuche, etwas zu ändern, klingt es noch schlechter. Letzte Nacht habe ich viel Zeit verloren, weil ich zu dem Ball der Hamiltons gegangen bin. Das kann ich mir nicht noch einmal leisten.«
»Welche Rolle singt
sie
denn?«, fragte Helene scharf, weil ihr plötzlich ein Licht aufging.
Er schaute sie an. »Die Hauptrolle.«
»Sie muss also im Haus wohnen, weil sie die verschiedenen Parts singt«, überlegte Helene.
»Ja.«
»Und aus anderen Gründen«, betonte sie leicht gereizt.
Seine Spottlust war zurückgekehrt. »
Du
hättest gegen erholsames Liebesspiel ja einiges einzuwenden, Helene.«
»Natürlich!« Es war Irrsinn. Kompletter Irrsinn. Und doch ertrug sie die Vorstellung nicht, noch Monate warten zu müssen. Sie wartete schon ihr halbes Leben lang, zumindest kam es ihr so vor. Und wenn sie ehrlich war, verschaffte es ihr ungemeine Befriedigung, dass er ihre Hilfe brauchte. Dass er ihre Musik mochte. Wie dumm sie doch war!
»Ich komme für einen Monat zu dir, aber nur unter einer Bedingung.«
»Wie bitte?« Rees stellte erschrocken fest, wie fest er mit ihrem Einlenken gerechnet hatte.
»Während ich im Haus bin, wirst du das Schlafzimmer dieser Frau
nicht
betreten. Unter keinen Umständen, Rees. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt? Du wirst nicht von einem Bett in das andere wechseln. Sie kann bleiben und singen, mehr aber nicht.«
Er sah sie an. Einen Augenblick lang glaubte sie, er werde ihr Ansinnen ablehnen. Bitterkeit füllte ihre Kehle.
Doch dann sagte er: »Die Erfüllung deiner Bitte dürfte kein Problem darstellen.«
»Und niemand darf erfahren, dass ich zu dir zurückgekehrt bin«, fuhr Helene fort. »Ich werde meine Dienerschaft informieren, dass ich auf Reisen bin. Und du empfängst ja ohnehin keine Besucher der Gesellschaft.«
»Ich empfange überhaupt keine Besucher. Aber du würdest leben wie eine Einsiedlerin, Helene. Und auch Dienstboten können tratschen.«
»Ist Leke noch bei dir?«
Rees nickte.
»Leke wird nichts sagen. Und diejenigen, die tratschen könnten, musst du entlassen.«
Er zuckte die Achseln. »Im Moment haben wir kaum Personal. Da sind nur Rosy, Lekes Nichte, ein paar Lakaien und die Köchin.«
»Wie du in einem solchen Schweinestall leben kannst …«, murmelte sie.
»Ich sage Leke also Bescheid, dass er dich heute Abend erwarten darf.« Rees gab sich größte Mühe, nicht einen Hauch von Befriedigung hörbar werden zu lassen.
»Nein, ich komme erst in ein paar Tagen. Was hast du deiner Sängerin erzählt?«
»Dasselbe wie dir.« Er öffnete die Tür und bat den Butler, seinen Paletot zu holen. »Sie hat übrigens einen Namen: Lina McKenna.«
»Und was hat Miss McKenna zu diesem verrückten Plan gesagt?«, erkundigte sich Helene. Sie war einigermaßen fassungslos, dass sie tatsächlich zugesagt hatte.
Wieder zuckte Rees die Achseln. »Etwas darüber, wie ihr zwei Modezeitschriften betrachten würdet.« Er ging, und Helene starrte auf die Tür.
16
Meine weibliche Natur
»Was möchtest du heute Morgen unternehmen?«, fragte Tom Meggin, nachdem sie vom Frühstückstisch aufgestanden waren. Sie hatte nicht viel gegessen, aber wer wusste schon, wie viel ein Kind ihres Alters essen sollte? Und warum hatte er nicht daran gedacht, Mrs Fishpole zu fragen, wann ihr Geburtstag war? Er wusste nicht einmal genau, wie alt Meggin war. Er musste noch einmal in den Gasthof. Womit pflegten Kinder sich eigentlich die Zeit zu vertreiben?
Meggin schaute nur zu ihm auf und schwieg.
»Möchtest du vielleicht gern baden?«, fragte er.
Sie antwortete nicht. Es war im Grunde ärgerlich. Oder
wäre
ärgerlich gewesen, berichtigte
Weitere Kostenlose Bücher