Lady Marys romantisches Abenteuer
Palast wetteifere selbst mit Versailles.“
Unbeeindruckt gab John den Brief zurück. „Es ist ein Schloss, Miss Wood, kein Palast“, sagte er. „Die Franzosen machen da einen sehr genauen Unterschied.“
„Wie immer man es nennen mag, Mylord, ich bin sicher, es ist sehr groß“, erwiderte Miss Wood. „Und bestimmt voller Bilder. Wir verlassen uns darauf, dass Sie sie uns erklären werden, nicht wahr?“
„Es tut mir leid, Miss Wood, aber ich werde nicht mit Ihnen kommen können, fürchte ich.“ Er stand auf und stellte mit beiden Händen den Stuhl wieder an seinen Platz. „Sie werden sich auf Seine Hoheit oder sein Personal verlassen müssen.“
„Oh, bitte, Mylord! Sie müssen mitkommen!“, rief Mary, enttäuscht und überrascht zugleich. „Die Einladung bezieht Sie mit ein, und außerdem haben wir bereits schriftlich zugesagt.“
„Die Einladung ist für die Töchter Seiner Gnaden, des Duke of Aston“, sagte er mit einer gezwungenen Unbeschwertheit, die sie aber nicht täuschte. „Ich kann nicht erkennen, wie ich da einbezogen sein könnte.“
„Aber es ist so“, beharrte sie. „Auch wenn es nicht eigens erwähnt ist, schließt es doch unsere ganze Reisegesellschaft ein. Miss Wood ist auch nicht namentlich genannt, trotzdem ist sie eingeladen.“
„Wie schmeichelhaft zu erfahren, dass ich in ihren Augen auf der gleichen gesellschaftlichen Ebene stehe wie Miss Wood“, meinte er trocken. „Doch ich kann Ihnen versichern, Seine Hoheit würde viel eher Ihre Gouvernante in seinem Schloss willkommen heißen als mich. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden, meine Damen. Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht.“
Bevor jemand ihn aufhalten konnte, hatte er sich umgedreht und war gegangen, während Mary immer noch mit dem Brief in der Hand neben ihrem Stuhl stand.
„Oh, bitte, Lady Mary, gehen Sie Seiner Lordschaft nach!“, rief Miss Wood aus und wedelte verzweifelt mit den Händen. „Wieso war Seine Lordschaft mit einem Mal so verletzt, weil er in dem Brief nicht genannt wurde? Es dürfte sich wohl kaum um eine bewusste Beleidigung handeln. Wie sollte Seine Hoheit denn gewusst haben, dass Seine Lordschaft mit uns zusammen reist?“
Diana seufzte tief und bedeutungsschwanger. „Vielleicht hat Lord John beim Karten- oder Glücksspiel gegen den Prince de Condé verloren und schuldet ihm nun ungeheure Summen. Das ist es doch, weswegen die meisten Herren sich zerstreiten, oder nicht? Wegen des Spiels und wegen Frauen?“
„Oh, sei still, Diana.“ Mary runzelte die Stirn und sah zur Tür hinaus, durch die er gegangen war. Die Vorstellung, ihm hinterherzulaufen, um seinen verletzten Stolz zu beruhigen, war nicht gerade verlockend. Doch ein Gang durch die berühmten Gemäldegalerien des Schlosses ohne ihn würde eine Enttäuschung sein. „Ich glaube nicht, dass Lord John sich einer dieser Sünden schuldig gemacht hat.“
„Keine Damen?“ Diana zuckte die Achseln. „Wie schade für dich, Mary.“
„Du weißt genau, dass es nicht das ist, was ich meinte.“ Mary schob den Brief in ihre Tasche zurück und ging hinter John her. Sie hatte nicht vor, ihn zu bitten, sich ihnen morgen doch noch anzuschließen. Aber sie glaubte, er schulde ihr eine Erklärung, warum er nicht mitkommen wollte. Und gekränkten Stolz würde sie als Entschuldigung nicht akzeptieren.
John war im Gang nicht mehr zu sehen, und sie eilte zur Treppe. Der Gastraum des Montmorency füllte sich bereits mit Männern, die entschlossen waren, eine lange Nacht mit Trinken, Rauchen und dem Erzählen von Lügengeschichten zu verbringen; die Franzosen schienen sich darin nicht von den Engländern zu unterschieden. Wenn John sich zu ihnen gesellt hatte, konnte Mary ihm nicht folgen und musste die Jagd aufgeben. Doch als sie sich über das Geländer des Treppenabsatzes beugte, sah sie seinen dunklen Kopf. Wie er mit seinen langen Beinen ausschritt, war unverwechselbar.
„Lord John, bleiben Sie stehen!“, rief sie hinter ihm her und hoffte, dabei so gebieterisch zu klingen, wie es der Tochter eines Dukes geziemte und nicht etwa aufgeregt wie ein Fischweib. „Bleiben Sie sofort stehen!“
Um nicht zu stolpern, raffte sie die Röcke an einer Seite zusammen, lief die Treppe hinunter und hinter ihm her. Die erstaunten Blicke der anderen Gäste bemerkte sie gar nicht, ungeduldig übersprang sie die letzte Stufe.
„Mylord, wenn Sie so freundlich sein wollten!“, rief sie.
Sie bog um die Ecke, und da war er. Wenigstens war
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