Lady Marys romantisches Abenteuer
er stehen geblieben, als sie es befahl, eine kleine Gunst.
„Mylord“, sagte sie und räusperte sich. „Ich muss mit Ihnen sprechen.“
„Mylady“, erwiderte er und deutete mit einer eleganten Handbewegung halbherzig einen Gruß an. „Genau das tun Sie gerade.“
Hinter ihr brach ein Mann in schallendes Gelächter aus. Marys Wangen färbten sich tiefrot. Vor großem Publikum hatte sie sich noch nie wohlgefühlt, und ausgerechnet jetzt hatte sie mit ihrem ungestümen Verhalten eine wachsende Schar von Schaulustigen angezogen.
„Allein, Mylord“, sagte sie und bemühte sich um Haltung. „Ich muss Sie allein sprechen.“
Er brauchte nur skeptisch eine Braue hochzuziehen, um lautes Gejohle unter den Zuhörern hervorzurufen. Es sollte eine Anspielung auf gewisse Frauen sein, die darauf aus waren, sich allein mit einem Mann in einem Gasthof zu treffen.
Das war mehr, als Mary ertragen konnte. Was immer sie sagen würde, John würde es zum Vergnügen dieser gackernden Narren gegen sie verwenden. Also packte sie ihn beim Arm, zog ihn zur Hintertür des Gasthofes und hinaus in den Hof.
Bei diesem Gasthof lagen die Stallungen und Nebengebäude seitlich. Auf dem kleinen Hof, in dem sie jetzt standen, befanden sich ein niedriger Hühnerstall und der winzige Küchengarten der Wirtin. Alles wurde von einer Steinmauer eingefasst, die jeden Luftzug fernhielt. Die abendliche Wärme des Sommertags, zusammen mit der Hitze der Kochstellen, sorgte für eine schwüle Luft in dem Garten, die nach Knoblauch und Zwiebeln roch. Statt wehender Weiden und Mondlicht auf einem plätschernden Bach wie hinter dem Gasthof in Abbeville, gab es hier nur Kohlköpfe und gackernde Hühner.
Mary nahm die Hand von Johns Arm und trat zwei Schritte zurück. Sie legte Wert auf Distanz zwischen ihnen, sodass er sie nicht mit seinem Lächeln oder seinen Augen oder sonst etwas verwirren konnte.
Doch er versuchte es. Er betrachtete sie so genau, dass sie seinen Blick schon fast auf ihrer Haut spüren konnte. Und als er sich dann mit einer Kopfbewegung das Haar aus der Stirn warf und ihm der Schweiß in einem winzigen Rinnsal über die Stirn lief, war es fast um sie geschehen.
„Also, Mylady“, sagte er schließlich leise. „Wir sind allein. Sprechen Sie.“
„Geben Sie mir keine Befehle“, fauchte sie ihn an, verwundert darüber, dass er es wagte.
Er nickte und zuckte die Achseln. „Gut, Mylady, dann Gute Nacht.“
„Nein, bleiben Sie, bitte!“ Ganz undamenhaft schnappte sie nach Luft. „Bleiben Sie. Bleiben Sie, bis wir miteinander gesprochen haben.“
Er drehte sich zu ihr um und legte den Kopf schief. „Sie dürfen mir also Befehle geben, Mylady, mir aber wird diese Gunst nicht gewährt?“
„Wenn Sie ein Gentleman sind, werden Sie bleiben.“
„Und wenn Sie eine Dame sind?“
„Ich bin eine Dame“, sagte sie und fühlte sich zumindest wieder auf sicherem Boden. „Deshalb bin ich hier. Ich wünsche eine höfliche Erklärung.“
„Ja, Mylady“, erwiderte er trocken. „Wie immer Sie wünschen, Mylady.“
Die Art, wie er das sagte, war alles andere als höflich. „Ich glaubte, Sie mit der Einladung ins Schloss Seiner Hoheit zu überraschen. Ich glaubte, Sie würden gerne seine Bilder sehen wollen, besonders die der italienischen Maler. Gemeinsam hätten wir verschiedene Künstler studieren und den Maler meines Engelsbilds herausfinden können. Ich dachte, es würde Sie freuen, mitzukommen.“
„Und jetzt sind Sie verärgert, weil es mich nicht freut.“
„Nicht verärgert, nein“, sagte sie, obwohl sie es natürlich war. „Doch Ihr Mangel an Interesse enttäuscht mich. Ja, das ist es. Ich bin enttäuscht.“
„Sie sind enttäuscht, weil ich Ihnen nicht dankbar zu Füßen sinke“, sagte er. „Sie lieben es, Dinge zu planen und Befehle zu geben, besonders, was das Leben anderer betrifft, Mary. Ich wundere mich, dass Diana Sie noch nicht erwürgt hat, weil Sie ihr alles vorschreiben.“
„Das ist nicht wahr!“, rief Mary empört, selbst wenn etwas Wahres an den Vorwürfen dran sein mochte. „Das heißt, was Diana betrifft, da gibt es Augenblicke, in denen ich eingreifen muss. Ich habe keine andere Wahl.“
„Oh, überhaupt keine“, sagte er, und der Hohn war nicht zu überhören. „Vermutlich sind Sie mir jetzt auch deswegen gefolgt. Sie hatten keine Wahl.“
„Sie sind hochmütig!“, rief sie aus. „Geben Sie es doch zu. Sonst würden Sie morgen mit uns kommen. Sie können nur den Gedanken nicht
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