Lady meines Herzens
infrage kam. Brandon wusste nur wenig über Sophies Familie, nur dass sie zum Landadel in einer kleinen Stadt weit entfernt von London gehörte. Übersetzt: Sie war angesehen genug und weit genug weg, um sich nicht einzumischen. Was Clarissa betraf … Sie war nicht die, die sie vorgab zu sein, auch wenn er ernsthaft bezweifelte, ob sie überhaupt davon wusste. Dieses Geheimnis wollte er für sich behalten.
Es war nur logisch und vernünftig, wenn er nach eingehender Lektüre dieser Liste zu dem Schluss kam, dass eigentlich Sophie die perfekte Braut für ihn war. Aus vielen verschiedenen Gründen wäre sie als Duchess eine recht skandalöse Wahl, aber sie wäre gut für diese Stellung geeignet. Viel wichtiger war aber, dass sie eine gute Frau für ihn wäre und dass er mit ihr glücklich werden konnte. Weil er sie l…
Nein. Nicht jetzt.
Brandon legte die Liste in eine Schublade und widmete seine Aufmerksamkeit dem letzten verbliebenen Dokument: der Sondergenehmigung. Er trug seinen eigenen Namen an der Stelle für den Bräutigam ein.
Und bei der Braut … Er zögerte.
Sophie war die Richtige für ihn, davon war er inzwischen überzeugt. Aber konnte er, der immer perfekte, aufrechte Gentleman, sich zum Verursacher des Skandals des Jahrzehnts machen?
Wenn von Vennigan Clarissa nicht heiratete, wurde sie bestimmt eine alte Jungfer. Das Schicksal der Familie Richmond hing von seinem eigenen Reichtum ab. Sie würden versuchen, ihn zu verklagen, weil er vertragsbrüchig geworden wäre. Dann müsste er entweder teuer bezahlen oder sie mit diesem schrecklichen Geheimnis erpressen.
Sein guter Ruf und der Name seiner Familie würden durch den Schmutz gezogen.
Seine jüngere, unverheiratete Schwester Charlotte hätte nicht die geringste Chance, einen guten Ehemann zu finden, weil die bessere Gesellschaft dann zu Recht befürchten müsste, dass sie wie ihr älterer Bruder in letzter Minute einen Rückzieher machte.
Konnte er das wirklich tun? Konnte er das Glück aller anderen aufs Spiel setzen, nur um Sophie heiraten zu können?
Jemand klopfte an die Tür.
»Ihre Schwestern Amelia, Penelope und Charlotte sind soeben eingetroffen«, sagte ein Diener. Brandon verließ rasch sein Arbeitszimmer, um seine Schwestern zu begrüßen.
Als er die Eingangshalle betrat, kehrte gerade seine Mutter zurück. Die hohe Halle, gewöhnlich die stille und imposante Domäne des Butlers – des einzigen Mannes, der ordentlicher und besser organisiert war als Brandon –, war kaum wiederzuerkennen. Riesige Berge Gepäck, um das sich Lakaien kümmerten, standen herum. Freudige Ausrufe und Kindergeschrei hallten von dem Marmorfußboden und der hohen Decke wider. Die Neuankömmlinge wurden umarmt, so mancher verdrückte Freudentränen, und die kleinen Kinder liefen ihnen zwischen den Füßen herum. Es herrschte ein herrliches Durcheinander.
Es war selten geworden, dass die Familie sich unter einem Dach versammelte. Amelia und Penelope lebten in einiger Entfernung, und in den letzten Jahren war immer die eine oder die andere in anderen Umständen gewesen. Wenn man sich so selten sah, vergaß man leicht, wie schön es war, wenn man zusammenkam. Seine Schwestern fielen ihm nacheinander in die Arme. Er schüttelte die Hände seiner Schwäger und machte die Bekanntschaft seines jüngsten Neffen, der prompt auf Brandons Gehrock spuckte.
Amelia, die Mutter des Kleinen, lachte und meinte, das sei die späte Rache, weil Brandon sie früher einmal in den Dreck geschubst und so ihr bestes Kleid ruiniert hatte. Damals waren sie sieben und fünf Jahre alt gewesen.
Endlich waren sie zur Hochzeit ihres Bruders wieder vereint, und diesen Anlass würden sie mit Tanz, Gesang und Schlemmereien feiern. Heute Abend schon begannen die Festlichkeiten. Dann würden sich die Richmonds zu einem ersten gemeinsamen Dinner beider Familien zu ihnen gesellen.
Im Speisezimmer von Hamilton House
Vier Stunden später
Das Dinner am Abend fand im Schein Dutzender Kerzen statt, deren warmer Schimmer vom Kristallglas und den Kandelabern reflektiert wurde und die Wände erhellte, auf die bedeutende Schlachten der englischen Geschichte gemalt waren. Der Tisch war mit dem besten Silber, fein geschliffenen Gläsern, edelstem Porzellan, Tischtüchern aus weißem Leinen mit zarter Spitze und Blumengestecken aus rosafarbenen und weißen Teerosen eingedeckt. Für jeden Gast standen zwei Diener bereit, und auf dem Kaminsims tickte dezent eine Uhr.
Brandon hatte schon vor dem
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