Lady meines Herzens
er davon halten sollte. »Guten Tag, Miss Harlow.«
Und dann bedachte sie ihn mit einem letzten Lächeln, dankte ihm, weil er sie heimgebracht hatte, und verschwand in ihrem kleinen grauen Stadthaus mit den weißen Schlusssteinen am Bloomsbury Place.
Bloomsbury Place 24
»War das etwa der Duke?«, fragte Julianna. Sie trat vom Fenster des Esszimmers zurück, wo sie auf Sophie gewartet hatte.
»Wen kennen wir sonst mit einer so beeindruckenden Kutsche?«
»Niemanden«, gab Julianna zu. Sie drehte sich zu ihrer Freundin um und sah sie eindringlich an.
»Seine Mutter hat vorgeschlagen, er solle mich heimbringen. Und einer Lady Hamilton schlägt man nichts ab. Außerdem ist nichts Ungehöriges passiert. Du kannst also aufhören, mich so anzusehen«, sagte Sophie. Sie legte ihr Retikül auf ein Tischchen, das mit Büchern aus der Leihbücherei, Ohrringen, Haarbändern und anderen weiblichen Besitztümern überhäuft war.
»Nichts? Bist du sicher? Er ist also ein S.B.I.K .?«, wollte Julianna wissen.
»Nicht ganz. Er sagte mir, er könne nicht aufhören, an mich zu denken!«, erzählte Sophie. Sie konnte das glückliche Lächeln, das sich bei diesen Worten auf ihr Gesicht stahl, nicht verbergen, und in ihrer Stimme schwang Frohlocken mit.
»Oh mein Gott.«
»Ist es denn falsch, wenn mich seine Worte so unglaublich glücklich machen?«, fragte Sophie. Sie sank auf das dunkelgrüne Damastsofa und bediente sich von dem Teetablett, das Julianna vorbereitet hatte. Ihre Hausangestellte Bessy hatte Sophies Lieblingskekse mit Ingwer gebacken, aber Sophie war viel zu beschwingt, um Appetit zu haben.
»Vermutlich, aber so würde sich wohl jeder an deiner Stelle fühlen. Was hast du darauf geantwortet?«, fragte Julianna. Sie setzte sich in den blau-weiß gestreiften Sessel gegenüber.
»Im Grunde dasselbe«, antwortete Sophie.
»Du hast die Aufmerksamkeit eines Dukes geweckt! Eines doppelten Dukes sogar!«, rief Julianna. Dann jedoch wurde sie wieder ernst. »Zu schade nur, dass daraus nichts wird.«
Natürlich wurde nichts daraus, aber … Sophie nahm einen Schluck Tee und dachte einen Augenblick darüber nach. Doch dann musste sie sich eingestehen, dass Dukes ihre Verlobten nicht für Mädchen aus niederen Kreisen sitzen ließen. Und schon gar nicht für skandalöse Schreibfräulein. Das taten Dukes nicht. Nie.
Vielleicht nur dieses eine Mal?
Nein.
Das würde er nicht tun. Was im Grunde auch egal war, weil sie sich niemals auf eine so verbotene Affäre einlassen würde.
Und dennoch … Er konnte nicht aufhören, an sie zu denken. Ihr ging es genauso. Das hatte etwas zu bedeuten. Zwischen ihnen gab es eine Verbindung. Sie verstanden einander. Es war genau die Art Verständnis, aus der unter gewissen Umständen eines Tages vielleicht Liebe werden konnte.
Aber dies hier waren keine gewissen Umstände.
Trotzdem schlug ihr Herz schon wieder schneller. Er dachte an sie! Die Welt schien ihr mit einem Mal etwas heller und wärmer. Der Mann, für den sie schwärmte, an den sie ständig denken musste, erwiderte diese Gefühle. Sophies Lächeln wurde breiter. Es war so selten, so wertvoll, und so schade, dass nichts daraus werden konnte.
Doch das Glücksgefühl blieb.
»Die London Weekly hat uns einen Stapel Einladungen geschickt. Die Karten für die Hochzeit des Jahres sind auch eingetroffen. Du darfst deine auf keinen Fall verlieren, Sophie. Denn dann wird man dich nicht einlassen, und deine Kolumne …«
»Ich weiß, ich weiß. Ich verspreche, sie nicht zu verlieren«, sagte Sophie und nahm sich einen Keks. Die Hochzeiten der guten Gesellschafterregten immer große Aufmerksamkeit, und riesige Menschenmengen versammelten sich vor den Kirchen. Daher waren die Karten oft notwendig, um Zutritt zu bekommen.
»Außerdem wurden wir zur Hochzeit vom Marquess of Winchester und Miss Victoria Selby eingeladen – die größte Konkurrenz um den Titel Hochzeit des Jahres«, erklärte Julianna ihr.
Noch mehr Hochzeiten. »Ich kann meine Freude kaum verhehlen«, witzelte Sophie, obwohl ihr nicht zum Lachen zumute war. Julianna verzog das Gesicht.
»Es gibt Gerüchte, der Bräutigam zähle den Prinzen von Bayern zu seinen engsten Freunden und dass der Prinz bei der Hochzeit zugegen sein wird«, vertraute Julianna ihr an.
»Wie um alles in der Welt kann ein englischer Marquess mit einem bayerischen Prinzen befreundet sein?«
»Der Marquess war als Botschafter in Bayern, ehe er sein Erbe antrat. Offensichtlich ist der Prinz ein
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