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Laienspiel

Laienspiel

Titel: Laienspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kobr Volker Klüpfel
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wollte. Von hinten erkannte er in der Menge seine Frau, die erst suchend in Richtung Eingang blickte und dann seinem Vater, der neben ihr stand, etwas ins Ohr flüsterte, worauf dieser mit den Schultern zuckte. Kluftinger sprang auf den ersten Stein, machte zwei weitere Sätze und hatte das gegenüberliegende Ufer erreicht.
    »Wo ist denn der Herr …«, rief Frank gerade gereizt ins Mikrofon, als Kluftinger an der Uferböschung nach hinten zu kippen drohte. Er ruderte mit den Armen, schien für einen Augenblick in Schräglage in der Luft zu hängen und konnte seinen drohenden Sturz nur noch mit einem Ausfallschritt nach hinten abfangen. Sein rechtes Bein klatschte ins Wasser, sein Fuß sank bis zum Knöchel im Schlamm ein, und er stand bis zum Knie im eiskalten Nass.
    »Huramentkreizkruzitürkn«, schrie Kluftinger mit einer Mischung aus Schreck und Wut.
    »Ach, wie ich höre ist unser Hofschauspieler bereits eingetroffen«, ertönte es als Antwort aus dem Lautsprecher.
    Kluftinger erstarrte. Hatte der Regisseur ihn gemeint? Aber er konnte ihn hier unten im Bachbett unmöglich sehen. Da weiteten sich seine Augen, und er senkte langsam den Blick, ließ ihn zu seinem Gürtel und dem dort angebrachten Mikrofonsender wandern. Geradezu höhnisch blinkte dort ein rotes Lämpchen und zeigte ihm an, dass der Sender von der Tontechnik bereits auf Empfang gestellt war. Sein Fluch von eben war also für jeden auf dem Gelände laut und deutlich zu hören gewesen.
    Er biss die Zähne zusammen, zog mit einiger Anstrengung sein Bein aus dem Schlamm und humpelte dann den kleinen Hügel hinauf zur Spielfläche. Die Volksmenge hatte das Feld bereits geräumt und war auf ihre Auftrittspositionen gegangen, einige spitzten aber neugierig hinter den Häusern hervor, andere lugten um Büsche und Pappmaché-Felsen herum. Als Kluftinger schließlich auf der Bühne angekommen war, erwartete ihn Frank bereits mit verschränkten Armen, den Blick streng über die Gläser seiner Brille hinweg auf ihn gerichtet.
    Kluftinger wusste nicht warum, aber er kam sich vor wie ein kleines Kind, das sich schuldbewusst auf eine Standpauke seines Vaters gefasst macht. Dabei hatte er von Anfang an gesagt, dass es wegen seines Berufes immer wieder passieren könne, dass er mal zu spät komme. Doch durch sein heimliches Anschleichen hatte er sich selbst der Möglichkeit einer Rechtfertigung beraubt und erwartete nun mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf sein Strafgericht.
    Doch zu seiner grenzenlosen Überraschung blieb es aus. Franks Gesicht nahm einen mitleidigen Ausdruck an, als sein Blick über das schlammverschmierte, durchnässte Hosenbein Kluftingers wanderte. Dann schaltete der Regisseur seinen Sender aus, ging auf den Kommissar zu, legte den Arm um seine Schultern und sagte: »Herr Kluftinger, ich weiß nicht, ob Sie’s schon gehört haben. Der Herr Sepp hatte einen Unfall …«
    Kluftinger hob die Augenbrauen. Joseph Brunner hatte gleich am Anfang eine Szene mit ihm, und auch jetzt sollte er eigentlich mit von der Partie sein. Er blickte beunruhigt in das ernste Gesicht des Regisseurs.
    »Keine Angst, es ist nicht so schlimm. Er hat sich beim Radfahren die Schulter gebrochen. Aber fürs Spiel fällt er aus.«
    Kluftinger seufzte erleichtert. Er mochte seinen Mitspieler und hatte wegen Franks Unheil verheißender Miene bereits Schlimmeres befürchtet. Auch wenn eine gebrochene Schulter sicher kein Zuckerschlecken war. Dennoch war Kluftinger noch nicht völlig beruhigt, denn er verstand nicht, warum Frank deswegen so geheimnisvoll tat.
    »Ich habe zum Glück schon eine neue Besetzung für den Kuoni aufgetrieben. Aber es ist nicht mehr lange bis zur Premiere, und da wollte ich Sie bitten, ob Sie nicht vielleicht Ihre Szenen mit ihm noch ein bisschen extra proben könnten …«
    Daher wehte also der Wind. Frank bat ihn um einen Gefallen. Kluftinger dachte kurz nach und nickte dann. Zwar fragte er sich, warum das nicht auch seine Doppelbesetzung, der Bürgermeister, machen konnte. Aber die Probenbesuche von Dieter Hösch waren wegen »wichtiger Repräsentationspflichten«, wie er das nannte, eher sporadischer Natur.
    Kluftinger hielt Franks Vorschlag dennoch für eine gute Möglichkeit, das belastete Verhältnis zum Regisseur etwas zu verbessern und sich dadurch einen Freibrief für das ein oder andere Zu-Spät-Kommen zu erkaufen.
    Franks Miene hellte sich auf. »Das freut mich aber sehr«, sagte er und schlug dem Kommissar kumpelhaft und nach

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