Laienspiel
fortsetzenden Linien ja am Schluss etwas Konkreteres. Er beschloss, bis zu diesem Zeitpunkt zu warten, doch Maier ließ ihm keine Ruhe.
»Was sagst jetzt? Der Hammer, oder?«
Der Kommissar blickte auf. Wollte sein Kollege ihn zum Narren halten? Doch sein Gesichtsausdruck sah eigentlich nicht danach aus. Und er wollte sich nicht ausgerechnet vor Maier die Blöße geben, einzugestehen, dass er nicht wisse, worum es sich hier handle. Also ging er in die Offensive. Schließlich war seine Kombinationsgabe nicht nur im Kollegenkreis geradezu berühmt.
»Ja, Richie toll. Wirklich. Beeindruckend. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.«
»Schon, gell?«
»Jaja, wirklich, beachtlich dieses … Dings, dieser … Bauplan. Für ein … wofür wird das noch mal genau sein?«
Maiers Leuchten in den Augen verschwand. Verständnislos schüttelte er den Kopf. Dann eilte er um den Tisch herum. »Ein Bauplan? Was soll denn …« Er schaute ein paar Sekunden auf das Display, drückte eine Taste auf dem Computer und sagte: »Hab ich vergessen. Der Bildschirmschoner.«
Bevor Kluftinger etwas erwidern konnte, verschwanden die Striche, und was er nun sah, ließ ihm für einen kurzen Moment den Atem stocken. Er wurde kreidebleich. »Das ist … wirklich … ein Hammer. Der hat es ernst gemeint«, stammelte er und starrte weiter unbewegt auf den Computer. Der zeigte eine Digitaluhr, die die gesamte Bildschirmbreite einnahm. Die Zahlen waren golden, der Hintergrund schwarz mit einigen silbernen Ornamenten, die an arabische Schriftzeichen erinnerten. Doch es war keine normale Uhr, die er da sah. Zu einer normalen Uhr gab es einen kleinen, doch entscheidenden Unterschied: Diese hier lief rückwärts.
Noch 10 Tage, 11 Stunden, 17 Minuten, 53 Sekunden
»Der Countdown zeigt uns, wie ernst es unser Toter gemeint hat.« Kluftinger hatte die Zeit genutzt, die Maier gebraucht hatte, die beiden anderen Kollegen zu holen, um seine Fassung wiederzufinden. »Und darüber hinaus löst er eine Frage. Wir wissen nun, wann das Attentat stattfinden sollte. Richard, du nimmst dir den Computer weiter vor. Ich will wissen, was sich sonst noch darauf finden lässt. Du hast ihn bisher nur … hochgefahren, das Passwort geknackt, und dann kam die Uhr, oder?«
Maier nickte, und Kluftinger war erleichtert, dass er offensichtlich die richtige Terminologie benutzt hatte. »Also, Richie, filz das Gerät mal richtig durch. Roland, lass du doch den Eugen allein mit der Korrespondenz und dem Privatleben von Schumacher weitermachen. Und schau dir mal das Enddatum von diesem Countdown an: Ist da irgendwas Besonderes? Veranstaltungen, politische Ereignisse, was weiß ich. Oder fällt jemandem spontan was ein?«
Alle Anwesenden schwiegen.
»Nichts? Also dann: los!«
Mit der Absicht, ein wenig in Ruhe nachzudenken, blieb Kluftinger in seinem Büro, wohl wissend, dass ihm an diesem Tag nicht allzu viele Ruhepausen vergönnt sein würden. Als Alternative warteten im Moment aber nur der drohende Umzug und die damit verbundene Packerei.
Nachdem ihm Sandy Henske eine Tasse Kaffee gebracht hatte, setzte er sich an seinen Schreibtisch und band seine Schnürsenkel auf. Mit Schrecken dachte er daran, dass ihm noch eine gute Ausrede für den drohenden Schuhkauf mit Erika fehlte. Na, das würde er wohl gerade noch hinbekommen. In jener Position, die seine Kollegen gern als »Kluftis Denkerhaltung« titulierten, Lodenbacher aber als »Schlomparai« bezeichnete – die nur mit selbst gestrickten Wollsocken bekleideten Füße auf dem Schreibtisch ruhend –, genoss Kluftinger seinen Kaffee.
Endlich war er wieder Herr des Falles, ohne die ungebetene österreichische »Unterstützung«. Vor allem dieser Bydlinski war Kluftinger deutlich zu ungehobelt – und das wollte etwas heißen, schließlich lag Kluftingers Toleranzschwelle, was rüpelhaftes Verhalten anlangte, deutlich höher als bei den meisten Menschen. Allerdings musste sich der Kommissar eingestehen, dass die Kollegen einer großen Sache auf der Spur gewesen waren. Wenn es auch makaber klingen mochte: Mit seinem Selbstmord hatte dieser Schumacher den Countdown gestoppt, die akute Gefahr, für was und wen auch immer, abgewendet.
Der Kommissar richtete sich auf, stellte seine Tasse beiseite und ließ sich von Sandy Henske mit dem Landespolizeikommando Tirol in Innsbruck, Herrn Haas, verbinden. Die Nachfrage, ob er denn nicht mit Herrn Bydlinski sprechen wolle – denn Valentins Nummern habe sie alle
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