Laienspiel
wieder der Tanzlehrer zu Wort meldete.
»Hallohalli nochmal, schön, dass Sie alle da sind. Ich bin der Hansjürgen, und ich darf Sie ganz herzlich zu diesem Auffrischungskurs begrüßen.« Kluftinger verzog das Gesicht bei dieser Begrüßung. Er und Hansjürgen würden wohl kaum dicke Freunde werden.
Alle hatten sich nun dem Mann zugewandt, der jeden seiner Sätze launig betonte und mit einer schwungvollen Bewegung des Mikros begleitete. Er wirkte auf den Kommissar immer mehr wie ein abgehalfterter Schlagersänger. »Ich darf Ihnen gleich mal die Chefin vorstellen, unsere Meisterin, die diesen Tanzkurs leiten wird: Bitte einen herzlichen Applaus für Francesca!«
Bei diesen Worten deutete er auf einen Durchgang neben der Bar, aus dem nun die Tanzlehrerin erschien. Kluftinger fand es albern, sie wie einen Showstar auftreten zu lassen, musste aber zugeben, dass das eine gewisse Wirkung nicht verfehlte. Während die kleine, dunkelhaarige Frau in einem wallenden roten Gewand, das nur aus flatternden Tüchern zu bestehen schien, schwungvoll in den Raum schritt, drehte der Diskjockey die Musik lauter. In der Mitte des Tanzsaals wurde sie von Hansjürgen mit einem Handkuss begrüßt.
»Francesca ist die Chefin der Tanzschule, sie kommt aus Italien und heißt mit Mädchennamen Riguccio.« Hansjürgen sprach den Namen wie einen teuren italienischen Rotwein aus. Kluftinger konnte sich schon denken, warum er nur den Mädchennamen der Frau verraten hatte. Da sie die Chefin war, vermutete er, dass sie den Besitzer der Tanzschule geheiratet hatte … und Francesca Denkinger klang zweifellos nicht annähernd so musikalisch-heißblütig wie Riguccio.
»So, wenn Sie sich jetzt bitte alle Ihrer verehrten Partnerin zuwenden würden«, schmalzte Hansjürgen in sein Mikrofon. Francesca, die ein Mikrofon um den Hals hängen hatte, klatschte nur in die Hände, und es erklang Tanzmusik. Irgendwie wirkte diese stattliche Dame auf Kluftinger ein wenig Furcht einflößend, wie eine der unerbittlichen russischen Eislauftrainerinnen der Achtzigerjahre.
»Da das ein Auffrischungskurs ist«, fuhr der Tanzlehrer fort, »möchten wir erst einmal sehen, was Sie noch alles können. Zum Aufwärmen spielen wir daher ein Medley der schönsten Tanzmelodien, einen bunten Reigen fröhlicher Weisen, einen kleinen Blumenstrauß altbekannter Lieder …«
Kluftinger blickte auf die Uhr: Es waren erst fünf Minuten vergangen. Während er mit zusammengebissenen Zähnen versuchte, im Kopf die Sekunden auszurechnen, die er hier noch zubringen müsste, schloss Hansjürgen mit den Worten: »Tanzen Sie einfach dazu! Tanzen Sie, lassen Sie Ihren Gefühlen freien Lauf.«
Das wird wohl nicht möglich sein, dachte Kluftinger, denn dann wäre entweder er nicht mehr hier oder der Tanzlehrer hätte sein Mikrofon im Rachen stecken.
Erika sah ihn selig lächelnd an: »Darf ich bitten.« Er wusste, wie gern sie tanzte. Zu seiner großen Freude waren Tanzabende schon seit Jahrzehnten aus der Mode, und so waren es lediglich einigermaßen selten stattfindende Hochzeiten in der Verwandtschaft, auf denen er sich dieser leidigen Pflicht nicht entziehen konnte. Und selbst die konnten, terminlich absehbar und daher kalkulierbar, mit der entsprechenden Vorbereitung umgangen werden … etwa mit der liebevollen Heranzucht eines Hühnerauges oder dem akribisch eingeleiteten Vorgaukeln einer schlimmen Knöchelentzündung.
Doch selbst, wenn er nichts davon rechtzeitig vorgeschützt hatte, kam er auf solchen Feierlichkeiten höchstens auf zwei Tanzrunden, im Normalfall Walzer, den er leidlich beherrschte. Bei den einschlägigen Tanzspielen hielt er sich dann immer viel auf der Toilette auf. Deswegen entsprach allein diese Tanzstunde dem Gegenwert von etwa neun Hochzeiten, überschlug Kluftinger im Kopf, seufzte und antwortete: »Gerne.«
Schon bei den ersten Tanzschritten jedoch wurden seine schlimmsten Befürchtungen wahr: Er kannte zwar viele der Melodien, konnte als aktives Mitglied der Musikkapelle Altusried ihr Taktmaß angeben … aber welche Tanzschritte dazu gefordert wurden, erschloss sich ihm meist nicht. Nicht, dass es einen Unterschied gemacht hätte: Er hopste sowieso auf jedes Lied so gut es ging im Takt herum, schwankte dabei mit dem Oberkörper wie ein angeschossener Bär und nahm die geflüsterten Hinweise Erikas … »Cha-Cha«, »Rumba«, »Slowfox« … nickend, aber ohne sichtbare Änderung seiner Schrittfolge zur Kenntnis. Wie bei der Musikprobe war er
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