LaNague 03 - Der Staatsfeind

LaNagues Gesichtsausdruck zeigte sich eine Spur von Belustigung. »Es würde mich nicht überraschen, wenn es so wäre. Diese zwei Münzbeutel, die ich ihm gegeben habe, waren voll tolivianischer Ags, und jedes Ag enthält eine Troyunze von 999er Feinsilber. Mit Silbermünzen kann unser Wachmann außerhalb des elektronischen Zahlungsverkehrs kaufen. Der offizielle Kurs steht bei sechs Solarkrediten für ein Ag, aber auf dem Schwarzmarkt sind die Münzen zehnmal so viel wert. Und glauben Sie mir, der Schwarzmarkt der Erde ist unvergleichbar in Größe und Verschiedenheit.«
    Broohnin erinnerte sich daran, wie die Augen des Wachpostens beim Anblick der Silbermünzen immer größer geworden waren. Er hatte ausgesehen, als würde er sich vor Gier jeden Augenblick die Lippen lecken und hatte LaNague kaum zugehört, als dieser ihm erklärte, was er als Gegenleistung für die Münzen verlangte.
    »Aber die Preise auf dem Schwarzmarkt sind auch wesentlich höher«, gab Broohnin zu bedenken. »Warum sollte er dort einkaufen wollen?«
    »Natürlich sind die Preise dort höher. Weil es dort nämlich etwas zu verkaufen gibt. Sehen Sie: Auf der Erde sind alle Preise und Löhne festgelegt, und alle Waren sind rationiert. Was immer den Markt zu offiziellen Preisen erreicht, verschwindet augenblicklich; gewöhnlich bekommen es die Freunde oder Bekannten von Leuten mit guten politischen Beziehungen. Diese Leute verkaufen es dann weiter an die Schwarzhändler, die es an den Normalbürger verkaufen. Natürlich steigen die Preise bei jedem Zwischenhändler wieder um ein gutes Stück in die Höhe.«
    »Das wollte ich doch damit sagen -«
    »Nein. Sie liegen daneben. Der Preis für ein dreidimensionales Leuchtmodul für einen Heimcomputer beträgt ›X‹ Solarkredite in den offiziellen Geschäften; es handelt sich dabei um einen festgesetzten, zugegebenermaßen sehr günstigen Preis. Der Haken an der Sache ist nur, daß man in dem Geschäft keine solchen Module kaufen kann, weil es keine gibt. Was nützt also ein festgesetzter Preis? Der Schwarzhändler dagegen hat genug Module, allerdings verlangt er den doppelten Preis. Das Ganze ist ein Axiom der Kyfho-Nationalökonomie: Je strenger die Wirtschaft kontrolliert wird, desto größer und blühender ist der Schwarzmarkt. Die Wirtschaft der Erde wird ausschließlich von oben herab bestimmt, und deshalb gibt es praktisch nichts, das man nicht auf dem Schwarzmarkt der Erde kaufen könnte, dem größten und besten Schwarzmarkt, den es überhaupt gibt.
    Der schwarze Markt bedeutet in diesem Fall also Befreiung von der Überwachung. Man kann kaufen, was immer man möchte, ohne daß festgehalten wird, was man und wo man es gekauft hat. Natürlich war es einfach, den Posten zu bestechen! Es kostet ihn nichts, wenn er uns diesen Flug hier erlaubt, aber sehen Sie sich doch nur an, was er dafür bekommt!«
    Der Wachposten hatte sie nicht begleitet. Es bestand auch keine Veranlassung dazu. Er hatte sie nach Waffen oder Kameras durchsucht; als er nichts bei ihnen hatte finden können, hatte er sie in seinem Gleiter eingeschlossen und einen niedrigen Erkundungsflug in den Steuercomputer des Fahrzeugs programmiert. Die beiden Außenweltler würden langsam über das Gebiet fliegen, das sie interessierte, ohne allerdings unterwegs landen zu können. Sollte jemand den Flug auf einem Monitor beobachten, würde er nichts Verdächtiges feststellen können – ein routinemäßiger Überprüfungsflug. Die Chance, daß der Gleiter mit den beiden Unbefugten an Bord gestoppt würde, standen praktisch gleich Null. Der Wachposten riskierte also nichts und bekam dafür eine Tasche voll Silberstücke.
    Die Solarspiegel am Himmel hatten jetzt fast die Form von Kreisen und waren unerträglich hell. LaNague deutete auf ein schwaches Leuchten vor ihnen am Horizont.
    »Das ist es. Das muß es sein!«
    Das Leuchten wurde intensiver und dehnte sich nach rechts und links aus, bis fast der gesamte Horizont in ein diffuses gelbes Licht getaucht war. Plötzlich waren sie mitten in diesem Nebel und sanken tief hinein in den gelben Dunst. Als sich die Wolkenfetzen lichteten, konnten sie tief unter ihnen riesige grüne Flächen sehen. Hinter ihnen erhob sich eine ungeheure, nackte Eiswand, die sich zu beiden Seiten in einen riesigen Kristallbogen teilte.
    »Gütiger Himmel!« rief Broohnin leise aus. »Das ist ja ein riesiges Tal, das man direkt aus dem Eis herausgeschnitten hat!«
    LaNague nickte aufgeregt. »Genau! Ein riesiges,