LaNague 03 - Der Staatsfeind
trotzdem hörte er zu.
»Eric Boedekker hat sich sein Leben lang vom freien Markt ferngehalten. Seine Mittel waren Bestechung, Erpressung und Gewaltanwendung, um bestimmte Gesetze durchzubringen, die ihm und seinen Unternehmen spezielle Privilegien und Rechte auf dem Gebiet der asteroiden Grubenrechte einräumten. Mit Hilfe der Erdregierung ruinierte er die meisten unabhängigen Minenunternehmen, indem er es praktisch unmöglich für sie machte, ihr Erz an andere Gesellschaften außer die von Boedekker zu verkaufen. Nichts von dem, was Sie hier sehen, hat er sich auf dem freien Markt verdient. Er sticht nicht seine Konkurrenz aus, indem er mit Neuerungen oder Verbesserungen auf den Markt kommt; dafür hat er seine Freunde höherenorts, die für ihn Mittel und Wege finden, die anderen auszuschalten. Er korrumpiert all die Dinge, die einem Tolivianer wert und teuer sind! Er ist ein Wirtschaftsroyalist, aber kein Kapitalist!«
LaNague hielt ein, um wieder zu Atem zu kommen und lächelte dann. »Aber es gibt ein Gesetz auf der Erde, das noch nicht einmal er umgehen konnte, obwohl er es mit allen Mitteln versucht hat: das Pro-Personein-Kind-Gesetz.«
»Und ich hätte gedacht, daß dieses Gesetz gerade am einfachsten zu umgehen wäre.«
»Nein. Dieses Gesetz darf einfach keine Ausnahmen machen, denn es betrifft jeden und gilt für alle gleichermaßen. Es gilt als absolut, solange man denken kann. Wenn man jemandem erlauben würde, ein drittes Kind zu haben – ganz gleich, welche Umstände dabei eine Rolle spielen –, würde das ganze so sorgfältig aufgebaute und unbarmherzig ausgeführte Programm zur Bevölkerungskontrolle auseinanderfallen, sobald die Öffentlichkeit von dieser Ausnahme erfährt.«
»Aber er hat doch zwei Kinder … oder? Warum sollte er dann noch ein drittes wollen?«
»Seine zweite Frau gebar ihm sein erstes Kind, einen Sohn, der auch Eric hieß. Als sie sich dann scheiden ließ, wollte jeder der beiden das Sorgerecht für den Jungen. Da aber Eric Boedekker am längeren Hebel saß, war sich seine Frau darüber im klaren, daß sie das Kind nicht würde behalten dürfen, obwohl sie im Grunde das Recht auf ihrer Seite hatte, da sie es selbst ausgetragen hatte. In einer depressiven Phase vergiftete sie dann sich und das Kind.
Mit seiner dritten Frau zeugte er dann eine Tochter, Liza. Liza wurde durch extrauterine Schwangerschaft ausgetragen, um von vornherein eventuellen Anspruchsforderungen aus dem Wege zu gehen, falls auch seine dritte Ehe zerbrechen würde – was sie dann übrigens auch tat. Das Mädchen wurde sein Augapfel und sollte später einmal sein Imperium übernehmen -«
»Ein Mädchen?« fragte Broohnin überrascht. »Ein Mädchen sollte Boedekker Industries leiten?«
»Auf den Außenwelten sind die Frauen wieder in die Rolle der Hüterin des Hauses und der Kindergebärerin zurückgedrängt worden, und es wird sicher noch eine Weile dauern, bis sie sich aus dieser Rolle werden befreien können. Aber hier auf der Erde herrscht eine andere Einstellung Frauen gegenüber. Wie auch immer, jedenfalls lernte Liza einen Mann namens Frey Kirowicz kennen, und die beiden beschlossen, auf die Außenwelten auszuwandern. Erst als sie sicher auf Neeka angekommen waren, schickte sie ihm eine Nachricht, in der sie ihm mitteilte, daß er sich Boedekker Industries an den Hut stecken könne. Mit Ausnahme von gewaltsamer Entführung versuchte Eric alles, sie zurückzuholen. Und vielleicht hätte er letztendlich sogar zu diesem letzten Mittel gegriffen, wenn sie nicht vorher bei einem Aufruhr vor einer der Imperialen Garnisonen auf Neeka aus Versehen getötet worden wäre.«
»Ich erinnere mich!« nickte Broohnin. »Es war vor rund zwei Jahren!«
»Richtig. Das war Eric Boedekkers Tochter. Und jetzt hat er keinen Erben mehr. Seit Liza davonlief, hat er immer wieder versucht, eine Ausnahme von der Pro-Personein-Kind-Regel zu erwirken, aber das ist etwas, das er selbst mit seinem ganzen Geld und seiner ganzen Macht nicht kaufen kann. Und er kann auch nicht irgendwo auf den Außenwelten ein drittes Kind zeugen, weil es dann nämlich als Außenweltler behandelt wird, dem Besitz innerhalb des Sonnensystems verboten ist. Also bleibt ihm nur ein Weg, wie er seinen Stolz retten kann.«
Eric Boedekker betrat in diesem Augenblick durch eine Tür am anderen Ende der Halle den Raum. »Und welcher Weg ist das, wenn ich fragen darf?« wollte er wissen.
»Rache.«
Wie die meisten Bewohner der Erde war Eric
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